Union
Dicke Luft bei der CSU, das darf man wörtlich nehmen. Im dicht gefüllten Bierkeller der Landesvertretung wählen die Abgeordneten ihren neuen Landesgruppenchef. Alexander Dobrindt erhält 41 der 46 Stimmen. Der Verkehrsminister (das Amt muss er vorerst irgendwie parallel weiterführen) soll die CSU in Berlin stärker vernehmbar machen, notfalls auch gegen die CDU und Merkel. „Es gibt eine neue strategische Position der Landesgruppe“, sagt er. Die CSU wolle „klar, direkt und konservativ“ auftreten, die „Mitte bis zur demokratischen Rechten“ abdecken.
Dicke Luft, politisch, zeichnet sich in der gesamten Unionsfraktion ab. Der erfahrene Volker Kauder wird zwar als Chef bestätigt, 53 Abgeordnete stimmen allerdings gegen ihn (Ja: 180, Enthaltung: 6). Das gilt als Nadelstich vor allem konservativerer und jüngerer Abgeordneter, die beklagen, dass Merkel zu wenig auf neue Gesichter setze. CSU-Abgeordnete hatten sogar erwogen, Kauder nur kommissarisch zu wählen.
Merkel schickt in der ersten Sitzung vorsichtig versöhnliche Signale in Richtung CSU, ihre „Weiter so“-Äußerungen nicht fortzusetzen. „Wir sind natürlich enttäuscht und müssen daran arbeiten, verlorene Wähler zurückzugewinnen“, wird sie von Teilnehmern zitiert. Man dürfe nach so einem Wahlergebnis nicht zur Tagesordnung übergehen, sagt CSU-Chef Horst Seehofer, als Gast in der Sitzung. Er hatte sich zuvor mit Merkel im Kanzleramt getroffen.
SPD
Neue Gesichter für die SPD: Der Fraktionsvorstand nominiert gestern einstimmig Andrea Nahles als Fraktionschefin. Wie der scheidende Fraktionschef Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin mitteilt, soll der Haushaltsexperte Carsten Schneider auf Nahles‘ Vorschlag Parlamentarischer Geschäftsführer werden. Eine Linke und ein Konservativer also als Spitze. Gewählt wird heute. Generalsekretär Hubertus Heil, der auch für das Geschäftsführer-Amt im Gespräch war, will auf dem Parteitag im Dezember nicht mehr antreten.
AfD
Einen Tag nach dem großen Beben hält die AfD so gut es geht zusammen. Nach dem Hinwurf von Frauke Petry – die ihren Schritt gestern mit der „Radikalisierung“ in der AfD begründet – kommen die verbliebenen 93 Bundestagsabgeordneten vollzählig zur konstituierenden Sitzung. Weitere Abweichler gibt es erst mal nicht. Der Tenor: Petrys Auftritt war ungeschickt. Gekracht haben soll es in der Fraktion wegen der Rhetorik der Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland trotzdem, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Beide werden dennoch mit 80 von 93 Stimmen als Fraktionsvorsitzende bestimmt. Die Petry-Unterstützer – vorwiegend aus dem Lager der „Alternativen Mitte“ – sollen sich mit geballter Faust in der Tasche ärgern. Öffentlich äußern will sich keiner – es werden noch die Ausschussposten verteilt. Insgesamt könnte der Richtungsstreit bis zum Bundesparteitag mit Vorstandsneuwahlen im Dezember toben.
Die bayerische Landesgruppe, die am Montag Martin Hebner zum Vorsitzenden und Gerold Otten zum Vize wählte, hat ihre Mitgliedschaft in der Fraktion bekräftigt. Man nehme „die Schritte von Frau Petry zur Kenntnis“, heißt. Hebner (57) war als Spitzenkandidat in Bayern angetreten, Otten (61) aus Putzbrunn im Kreis München auf Listenplatz 8. Der ehemalige Kampfpilot tritt diplomatisch auf, er war auch schon zu Zeiten des Ex-AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke aktiv.
Thema am Dienstag ist auch Petrys Ankündigung, die Partei zu verlassen. „Reisende soll man nicht aufhalten“, sagt Vorstandsmitglied Paul Hampel. Weidel erkennt keine Tendenzen zur Spaltung. Für Petrys Abgang habe sie „überhaupt kein Verständnis“. Und Gauland merkt an: „Wir binden alle AfD-Mitglieder ein, die mit uns zusammenarbeiten wollen.“
Grüne
Die Grünen sind derzeit die aufgeräumteste Fraktion. Das Ergebnis fiel besser aus, als die meisten befürchtet hatten. Mehr Abgeordnete (jetzt 67), darunter mehr Frauen (58 Prozent) – ganz entgegen dem allgemeinen Trend (30 Prozent). Entsprechend gelassen geht es gestern im zweiten Stock des Reichstagsgebäudes zu. Der alte Fraktionsvorstand bleibt erst mal im Amt, bis die Koalitionsverhandlungen enden. Gestern benennt die Partei ihr Verhandlungsteam, mit dabei auch das Schreckgespenst der CSU: Jürgen Trittin. Aber auch der Seehofer-Freund Winfried Kretschmann sitzt mit am Tisch – dem der CSU-Chef allerdings vorwirft, sich beim letzten Mal nicht genügend eingebracht zu haben. Auch Robert Habeck ist mit dabei, der in Schleswig-Holstein eben erst Jamaika ausgehandelt hat. „Wir gehen in ganz, ganz schwierige Gespräche“, sagt Fraktionschef Anton Hofreiter. „Da halten wir es für klug, alle Gruppen der Partei mit einzubinden.“ Vermutlich sind die Grünen die Partei, die dieses Bündnis am meisten will. „Aber es gibt keinen Automatismus“, mahnt Hofreiter. Selbst unter den größten Freunden von Schwarz-Grün ist klar: Eine Obergrenze wird es mit Grünen nicht geben.
Linke
Die erste Sitzung der Linken verläuft eher unspektakulär. Ihre neue Führung will die Fraktion auf einer Klausursitzung am 17. und 18. Oktober in Potsdam wählen. Es wird erwartet, dass Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht ihre Ämter behalten.
FDP
Die FDP hatte sich – voller Tatendrang – bereits am Montag zur ersten Sitzung getroffen. Dabei wurde der Vorsitzende Christian Lindner mit 100 Prozent der Stimmen zum Fraktionschef gewählt.