Peiting – 7 Uhr morgens in Peiting. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, doch in der Halle der Straßenmeisterei sind die Mitarbeiter schon schwer beschäftigt. Einer schärft die Sägekette der Motorsäge, ein anderer schraubt am Auspuff eines Einsatzwagens. Bei der Peitinger Straßenmeisterei im Kreis Weilheim-Schongau gibt es jede Menge zu tun. Claudia Immisch, 36 Jahre, die blonden Haare akkurat geflochten, ist hier seit neun Jahren die Chefin – allein unter Männern. Sie sitzt mit einem Kaffee bewaffnet am Schreibtisch und gibt bestimmt, aber ruhig letzte Anweisungen. „Es ist wie im Haushalt: Am Ende wird doch immer gemacht, was die Frau sagt“, witzelt sie. Draußen bahnt sich allmählich einer dieser herrlichen Sonnenaufgänge an, wie sie dieser Tage zu genießen sind. Nur vom Schnee fehlt jede Spur.
Vor einem Jahr war das ganz anders. Damals wurde Bayern von einem Schnee-Chaos heimgesucht – und Immischs Mitarbeiter mussten jeden Tag mitten in der Nacht raus, um die Straßen vom Schnee zu befreien. So ging es vielen der fast 3000 Männer und Frauen aus den 93 bayerischen Autobahn- und Straßenmeistereien. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Netz von rund 23 000 Kilometern Straße im Freistaat auch im Winter befahrbar bleibt. Dafür stehen gut 600 staatseigene Winterdienstfahrzeuge und 700 zusätzliche private Lkw zur Verfügung. Und natürlich braucht es tatkräftige Mitarbeiter, die bereit sind, regelmäßig nachts aus dem Bett zu steigen.
Auch bei den Peitinger Kollegen ist das Handy derzeit die ganze Nacht auf laut gestellt. Ab 2 Uhr morgens beobachtet ein sogenannter Späher die Wetterlage und fährt Stellen ab, auf denen es besonders schnell glatt wird. An mehreren Messpunkten werden rund um die Uhr Straßen- und Tiefentemperatur gemessen. Zudem geht der Blick aufs Wetterradar. Letztendlich sind für den Späher aber vor allem Erfahrungswerte entscheidend, ob die Mitarbeiter der Frühschicht aus dem Bett geklingelt werden.
Zurzeit bekommen sie mehr Schlaf als im vergangenen Januar wegen der milden Temperaturen. „Es gibt trotzdem immer genug zu tun“, sagt Immisch. Auch ohne Schnee. Derzeit liegt der Fokus bei den Straßenmeistereien in Bayern vor allem auf Landpflegearbeiten. Die seien vergangenes Jahr auf der Strecke geblieben, sagt die 36-Jährige. Im Holz dürfe außerdem nur von Oktober bis Februar gearbeitet werden. Das besagt das Naturschutzgesetz. Da kommt das Wetter aktuell gerade recht. Mit einem großen Lkw und einem Einsatzfahrzeug samt Anhänger voller Werkzeug machen sich die Straßenwärter auf den Weg ins knapp zehn Kilometer entfernte Rottenbuch. Dort soll an einem Fuß- und Fahrradweg ein kaputtes Holzgeländer durch ein neues aus Metall ersetzt werden, die Straßenmeisterei erledigt die Vorarbeit.
Die Sonne ist mittlerweile aufgegangen und sorgt im Oberland für eine magische Stimmung. Aber die Straßenwärter haben dafür keinen Blick, ihr heutiger Arbeitsplatz liegt im Schatten. Sie streifen sich ihre orangen Jacken über, setzen Helme auf und stapfen ins unwegsame Gelände. Sie schneiden, sägen und wuchten die Äste mit einem Greifarm auf die Ladefläche des Lkw. „Gerecht verteilt“ seien die Aufgaben im Winter, sagt Alfred Steiger, der auf dem Lkw steht und den Greifer manövriert. Sie bestehen eben nicht nur aus Schneeräumen, sondern auch aus internen Arbeiten an den Straßenmeistereien oder kleineren Reparaturen auf den Straßen. Steiger hat viel gesehen, seit fast 26 Jahren ist er schon Straßenwärter. Er sagt: „Die Winter werden immer extremer.“ Deshalb ist er sich auch in diesem Jahr sicher: „Der Schnee wird kommen.“
Sorgen bereitet das Claudia Immisch allerdings nicht. Sie schiebt das große Tor zur Lagerhalle auf. 2500 Tonnen Salz türmen sich hier auf einem riesigen Berg und warten darauf, auf den Straßen verteilt zu werden. In einem weiteren Lager liegen zusätzliche 800 Tonnen. Das hat sogar im vergangenen Winter gereicht. Und wenn Immisch merkt, dass es eng werden könnte, bestellt sie rechtzeitig nach. Was übrig bleibt, wird im nächsten Winter verwendet. „Es ist alles gerichtet“, sagt Immisch.
Auch die Räumfahrzeuge sind vorbereitet. Neun Fahrzeuge können in Peiting gleichzeitig ausrücken, wenn der Himmel die Schneeschleusen öffnet. Die Lkw, die derzeit mit Holz beladen werden, können zu Räumfahrzeugen umgewandelt werden. Salztank auf die Ablagefläche, Räumschild vorne dran: „Das dauert nur zehn Minuten“, sagt die Chefin. Der Schnee kann kommen. Peitings Späher warten schon.