München – Der Wunsch nach einfachen Wahrheiten breitet sich aus. Das beobachtet Kardinal Reinhard Marx nicht nur in Politik und Gesellschaft, das Phänomen mache sich auch in der Kirche breit. Differenzierte Antworten seien vielfach unerwünscht. „Wir brauchen eine synodale Kirche und das Suchen“, sagte der Kardinal gestern im Münchner Presseclub. Schwarz-Weiß-Malerei sei nicht gewollt, warnte er vor populistischen Tendenzen in der Kirche.
Gerade für den synodalen Dialogprozess, den die Kirche in Deutschland eingeschlagen hat, wünschte sich der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, dass die Katholiken aufeinander zugehen. Auch in der Kirche müssten Unterschiede und Vielstimmigkeit ausgehalten werden. Liberale und Konservative müssten kompromissbereiter sein: „Kommt mal alle schön runter von Euren hohen Rössern – oder Eseln“, sagte er. Rote Linien vorzugeben oder anderen zu unterstellen, mit ihren Erwartungen die Kirche zu spalten, bringe nichts. Der Glaube dürfe nicht zur Ausgrenzung benutzt werden. „Religionen müssen Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems.“ Und für die katholische Kirche gelte trotz aller Diskussionen: Es sei wichtig, zusammenzubleiben. Garant dafür sei der Papst – „er ist das Fundament.“
Zur teils heftigen Kritik an Franziskus auch von deutschen (Kurien-)Kardinälen hat sich Marx in der Vergangenheit nicht geäußert. Gestern gab er zu: „Ja, es ärgert mich, aber ich schluck’s runter.“ Er wolle die Polarisierung zwischen vermeintlich „wahren Katholiken“ und vermeintlichen Weicheiern“ nicht befeuern. Marx nannte solche Urteile polemisch und persönlich herabsetzend. Deshalb bleibe er bei seiner Strategie, darauf nicht zu reagieren – auch wenn es ihn „manchmal in den Fingern oder im Mund juckt“.
Der synodale Weg soll der Kirche zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen, die sie durch den Missbrauchsskandal verloren hat. Im Zusammenhang mit der Debatte über die Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer wollte sich der Kardinal bei der Finanzierung nicht festlegen, ob das Geld aus Kirchensteuermitteln stammen kann oder nicht. Zunächst müsse geklärt werden, wie eine höhere Entschädigung für die Opfer aussehen soll. Klar sei: Die bisherige Zahlung „reicht nicht“. Erst müsse eine neue plausibilisierte Planung stehen, dann stelle sich die Frage nach „der richtigen Art und Weise der Finanzierung“. Eine Arbeitsgruppe hatte kürzlich ein Pauschale von 300 000 Euro oder ein abgestuftes Verfahren je nach Schwere des Falls zwischen 40 000 und 400 000 Euro zur Diskussion gestellt. Eine Entscheidung soll 2020 fallen.