„Wir sind für immer dankbar“

von Redaktion

Vor einem Jahr wurde Wanderer Jeff Freiheit tot aufgefunden – Jetzt gibt es Erinnerungsorte

VON VERONIKA AHN-TAUCHNITZ

Lenggries – Es war das traurige Ende einer mehrwöchigen Vermisstensuche im Isarwinkel: Vor genau einem Jahr wurde der kanadische Wanderer Jeff Freiheit tot am Fuß der Achselköpfe gefunden. Zu seinem ersten Todestag reiste seine Familie nun nach Lenggries – zum Gedenken, um einen Abschluss zu finden, aber auch, um die Menschen zu treffen, die dabei geholfen hatten, den Sohn, Bruder und Ehemann nach Hause zu bringen.

Es sollte die Verwirklichung eines Traums werden: Am 31. Juli 2018 brach Jeff Freiheit in München auf, um auf dem „Traumpfad“ nach Venedig zu wandern. Es war seine erste Tour in den Alpen, der 32-jährige Sportlehrer hatte zuvor aber bereits den Kilimandscharo bestiegen und das Basiscamp am Mount Everest erreicht. Damals hatte er Bergführer, dieses Mal war er allein unterwegs. Die Nacht zum 2. August verbrachte er in Bad Tölz, telefonierte noch mit seiner Frau Selena und brach dann morgens zum Brauneck auf. Vom Gipfel postete er ein lustiges kleines Video, kehrte in der Tölzer Hütte ein, etwas später traf ihn ein Paar am Latschenkopf – dann verlor sich seine Spur.

Eine groß angelegte Suchaktion lief an. Das Besondere: Nicht nur Bergwacht, Polizei und andere Rettungskräfte suchten nach dem 32-Jährigen, sondern auch ein immer größer werdender Kreis von Freiwilligen. Sie liefen Wege, aber auch unzugänglichere Gebiete ab, hängten Flugblätter auf, telefonierten mit Hütten, in denen der Kanadier übernachten wollte, und kümmerten sich um Jeffs Mutter Kathy und seine Frau Selena, die nach Bayern gekommen waren, übernahmen Fahrdienste oder übersetzten. Die „Volunteers“ blieben auch am Ball, als die Rettungsorganisationen keine Anhaltspunkte mehr hatten und die Suche einstellten. Sie waren es deshalb auch, die mit Kathy Freiheit an jenem 25. August unterwegs waren, als sie am Fuß der Achselköpfe, verborgen unter einigen Latschen, ihren Sohn fand. Er hatte drei Wochen zuvor den Halt verloren und war mehr als 60 Meter in die Tiefe gestürzt.

Ein Jahr später sind Kathy und Selena Freiheit wieder in den Isarwinkel gekommen – dieses Mal begleitet von Jeffs Vater Garnet, seiner Schwester Amanda und deren Mann Nick. Es ist ein düsterer, wolkenverhangener Tag, als sie sich auf den Weg zu der Stelle machen, an denen der 32-Jährige gefunden worden war. An ihrer Seite einige der Freiwilligen, die auch im Jahr zuvor geholfen hatten. Martina Lachmuth, Roland Konopac, Johanna Bartos, Susanne Williams und Peter Huck beispielsweise, die im August 2018 immer wieder in den Isarwinkler Bergen unterwegs waren, Monika Brandhofer, die Fahrdienste übernommen hatte, und Oliver Landolt, der digitale Karten erstellte. Viele von ihnen hatten das ganze Jahr über Kontakt zur Familie gehalten und geholfen, ein bleibendes Andenken an den 32-Jährigen zu schaffen.

„Es ist schwer zu glauben, dass schon ein Jahr seit Jeffs Tod vergangen ist“, sagt Selena Freiheit (30). „Die Zeit ist für uns alle zu schnell vergangen.“ Es sind schwere Monate, die hinter ihnen liegen. „Jeff war so ein wichtiger Teil unserer Familie. Dass er nicht mehr bei uns ist, ist extrem hart für uns alle. Er hat eine große Lücke hinterlassen. Unsere Familie wird niemals wieder die Gleiche sein.“

Zwei Orte des Erinnerns gibt es: Am Fuß der Achselköpfe steht jetzt ein schlichtes Kreuz aus Metall. Die Mitte ziert ein großes Ahornblatt, auf dem Geburts- und Todestag von Jeff Freiheit eingraviert sind. Auf der Spitze befestigt sein Vater bei einer kurzen Gedenkzeremonie an diesem Tag eine der Kappen, die sein Sohn so gerne aufhatte, und auf denen der Name „Freiheit“ steht.

Mit viel Schweiß und Muskelkraft wurde außerdem auf dem Gipfel des Latschenkopfs eine Holzbank aufgestellt, die – so steht es auf einer Tafel – den „Volunteers“ gewidmet ist. Wer auf ihr Platz nimmt, genießt einen herrlichen Ausblick bis weit über den Starnberger See hinaus. „Die Gruppe von Freiwilligen hat uns immens geholfen, Bank und Kreuz zu organisieren, damit wir etwas als Teil von Jeffs Vermächtnis hinterlassen konnten“, sagt Selena Freiheit. Die Erinnerung an Jeff werde durch diese Orte weiterleben – „genauso wie in den Herzen der Menschen, die von seiner Geschichte berührt wurden“, so die 30-Jährige.

Das Erstaunlichste für sie sei nach wie vor, „wie viele wunderbare Leute zusammengekommen sind, um völlig Fremden zu helfen. Sie sind die selbstlosesten Menschen, die wir jemals getroffen haben.“ Ohne ihre Hilfe wäre vieles nicht möglich gewesen, ist Selena Freiheit überzeugt. „Es war wunderbar, all diese großartigen Menschen kennenzulernen, die uns geholfen haben. Sie sind jetzt ein Teil unserer Familie und nehmen einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen ein. Wir sind für immer dankbar.“

Jeff Freiheits Grabstein in seiner Heimatstadt Brandon ziert eine große Weltkarte. Der 32-Jährige liebte es zu reisen. Einige Bilder davon werden am Abend bei einem gemeinsamen Essen auf der Waldherralm gezeigt. Der Kreis ist noch ein bisschen größer geworden. Rob Simmerle, Trevor McConnell und Allyson Chaple – drei weitere Volunteers – sind dazugestoßen. Es wird viel gelacht an diesem Abend, der Menschen zusammenbringt, deren Leben für immer zumindest ein bisschen miteinander verwoben sein werden. „To the good life“ – auf das gute Leben, lautet der bevorzugte Trinkspruch. Es war einer von Jeff Freiheits Lieblingssprüchen. Auch er steht auf seinem Grabstein.

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