München – „Wenn du deinen Scooter parken willst, stelle bitte sicher: Dein Parkplatz blockiert keinerlei öffentlichen Fußwege, Haltestellen, Einfahrten oder Gebäudeeingänge.“ So versucht der E-Scooter-Anbieter „Tier“ Nutzer auf seiner Website für korrektes Verhalten im Straßenverkehr zu sensibilisieren. Die Realität sieht oft anders aus: Kreuz und quer zugeparkte Fußwege. Von geregeltem Parken kann keine Rede sein. Das stört nicht nur Lokalpolitiker, sondern kann ein gefährliches Hindernis im Alltag darstellen: Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) schlägt Alarm.
„Ich bin bereits über einen am Boden liegenden Roller gestolpert und weiß von einer weiteren Blinden, der das auch passiert ist“, berichtet Bernhard Claus vom BBSB. „Egal, wo die E-Scooter auf dem Gehweg stehen, sie sind für uns fast immer eine Behinderung“, ergänzt der 55-Jährige.
Etwa 3000 Roller von vier Anbietern sind nach Angabe des Kreisverwaltungsreferates (KVR) derzeit in München unterwegs. Und schon streckt mit „Bird“ ein weiterer Verleiher seine Fühler nach München aus. Die meisten Scooter sind in der Innenstadt unterwegs, in der Regel auf Kurzstrecken. Dann werden sie irgendwo abgestellt. „Wildes Parken“, nennt das der Vorsitzende des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, Andreas Klose (Rosa Liste): „Man merkt schon, dass der Unmut im Viertel steigt.“ Seit Juli habe es vereinzelt Bürgeranfragen zum Parken der Roller gegeben. „Die Bürgersteige sind eh schon viel zu schmal“, klagt Klose.
Die Stadt kann nur wenig tun. Die E-Tretroller fallen unter die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes. Laut KVR-Sprecher Johannes Mayer sind zu E-Scooter-Sharing-Angeboten keine gesonderten Regelungsmöglichkeiten für die Kommunen vorgesehen. „Die E-Scooter können überall abgestellt werden, wo sie keine Behinderung darstellen“, führt er weiter aus.
Die Realität erinnert an die katastrophalen Zustände, als die gelben „Obikes“ die Münchner Straßen fluteten und dann – wie inzwischen vereinzelt auch MVG-Leihräder, bevorzugt in Isar, Gebüsch oder Bäumen endeten (siehe Kasten). Um ein weiteres Sharing-Fiasko zu vermeiden, sei die Branche zu einer engen Kooperation mit der Stadtverwaltung bereit, so Mayer. Jeder der momentan vier E-Roller-Anbieter habe eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung, unterschrieben, die auf eine verkehrssichere Nutzung hinwirke.
Beim Anbieter „Tier“ heißt es, man arbeite an Belohnsystemen für richtiges Parken. Das Unternehmen „Circ“ richtet von ähnlichen Überlegungen.
Die Verleihfirmen „Voi“ und „Lime“ verzeichnen nach eigenen Angaben keine bis wenig Beschwerden und appellieren an die Verantwortung der Nutzer. Diese sollen mit einem Foto dokumentieren, dass sie ihren Roller ordentlich abgestellt haben.
Aber all die Belohnsysteme und Fotoaufnahmen helfen nur wenig, wenn die E-Scooter im Alkoholrausch verwendet werden. Seit Einführung der Roller am 15. Juni sind über 700 Trunkenheitsfahrten verzeichnet worden. Erst kürzlich wurde ein Münchner am Odeonsplatz mit 2,4 Promille aufgegriffen. Für blinde Menschen ein hohes Risiko: „Wenn man hört, dass welche nachts betrunken fahren, bekommt man es schon mit der Angst zu tun“, sagt Claus vom BBSB. Die Roller seien genauso leise wie Fahrräder – aber schwerer und somit bei einer Kollision besonders gefährlich.
In Schweden und Frankreich gab es bereits tödliche Unfälle. Claus bereitet das Sorgen: „Wir hoffen, dass wir rechtzeitig lernen und dagegensteuern. E-Roller dürfen den Fußgängerverkehr nicht gefährden.“