Handwerk kämpft für ein besseres Image

von Redaktion

Steckt das Lebensmittelhandwerk in der Krise? Während der Fleischerverband Nachwuchssorgen und Betriebsschwund beklagt, stemmen sich die Bäcker gegen die Klischees vom staubigen Job mit wenig Nachtschlaf.

VON KATHRIN BRACK UND ROLAND LOSCH

München/Ebersberg – Gestern hatte Bäckermeister Martin Freundl gleich zwei Praktikanten in seinem Ebersberger Betrieb. Sie waren gekommen, um ins Bäcker- und Konditorhandwerk hineinzuschnuppern. Einen habe er zwar heimschicken müssen, sagt der 55-Jährige. Doch dem anderen hätte er am liebsten vom Fleck weg einen Ausbildungsvertrag gegeben. Solche Tage machen Hoffnung, wenn man bedenkt, dass das Lebensmittelhandwerk Nachwuchssorgen plagen.

Dazu ist die Zahl der Betriebe in den beiden größten Branchen zurückgegangen: Waren es 2013 insgesamt 657 oberbayerische Bäckereien, gab es im Jahr 2018 noch 563 Betriebe. Die Metzger hatten in den vergangenen fünf Jahren einen noch größeren Schwund zu verkraften: Von 1088 Betrieben in Oberbayern sind noch 827 übrig.

„Wir haben einen wahnsinnigen Rückgang“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des bayerischen Fleischerverbands. Einige kapitulieren vor der übermächtigen Konkurrenz der Discounter. Andere schließen, weil sich immer weniger junge Menschen für Handwerksberufe interessieren: „Es fehlt an allen Ecken und Enden an Nachwuchs. Wir suchen händeringend.“

Auch Bäckermeister Freundl weiß, dass das Handwerk mit anderen Berufen konkurrieren muss, „die attraktiver sind und deshalb besser wahrgenommen werden“. Für den Ebersberger aber kein Grund, schwarzzusehen. Im Gegenteil: „Das Bäckerhandwerk ist was Schönes. Man muss es nur schaffen, den Klischees Signale entgegenzusetzen.“ Um den Nachwuchs müsse man sich immer wieder bemühen.

Freundls Bäckerei und Konditorei ist ein Traditionsbetrieb, der erstmals 1751 urkundlich erwähnt wurde, er selbst hat ihn vom Vater übernommen. Heute arbeiten hier 93 Menschen, es gibt vier Verkaufsstellen, der Betrieb hat elf Auszubildende. Auch sein Sohn Richard ist Bäckermeister, er wird eines Tages übernehmen. „Mich freut, dass er das mit Begeisterung macht, aber auch kritisch hinterfragt und überlegt, was man anders machen kann.“

Dass Betriebe in der Familie weitergeführt werden, sei heute nicht mehr selbstverständlich, sagt Herbert Dohrmann, Präsident des Deutschen Fleischerverbandes und Sprecher der Fachverbände des Lebensmittelhandwerks. Im Wettbewerb mit Discountern und Supermärkten hätten sich viele handwerklich arbeitende Bäcker und Fleischer inzwischen im gehobenen Segment eingerichtet, sagt Dohrmann. Die bayerische Fleischerschule in Augsburg bildet beispielsweise Fleischsommeliers aus. „An Weihnachten und an Ostern gehen viele zum Metzger“, sagt auch Lars Bubnick. Aber im Alltag werde gespart: „Die Leute kaufen sich eine Grillstation für 3000 Euro und legen dann ein Nackensteak für 99 Cent drauf.“

Martin Freundl findet, dass die Discountangebote zum Wettbewerb gehören. „Viele Verbraucher planen halt so, dass sie alles im Supermarkt bekommen.“ Und doch gebe es genügend Menschen, denen es auf Nachhaltigkeit ankommt. Die nicht nur am Ort einkaufen, sondern auch am Ort arbeiten wollen. Das Bäckerhandwerk, sagt Freundl, hat „deutlich an Attraktivität gewonnen“. Dass es viele Menschen gibt, die den Beruf gern ausüben, gehe aber oft unter. „Man hört immer nur: Als Bäcker musst früh aufstehen, da kannst nachts nicht schlafen, und heiß und staubig ist es auch.“ Negativmeldungen will Martin Freundl lieber positiv begegnen. „Wenn man immer Panik verbreitet, braucht man sich nicht wundern, wenn man keine Leute für den Beruf begeistern kann.“

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