München – Der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) liebt die deutliche Ansage. Jetzt hat er sich die Regierung von Oberbayern vorgeknöpft, deren Untere Naturschutzbehörde auf stur schalte und nichts gegen die Saatkrähen in Erding unternehme: „Mir ist der Geduldsfaden jetzt endgültig gerissen“, schimpft Gotz. Die Zahl der Krähen nehme überhand, es gebe über 100 Nester mehr als im Vorjahr. „Die sollen endlich mal von ihrem Schreibtisch aufstehen und sich ein Bild vor Ort machen“, sagt Gotz in Richtung Regierung. Ein Beschwerdebrief an das Umweltministerium ist unterwegs.
Es muss gar schrecklich aussehen in Erding – aber auch andernorts. Verdreckte Parkbänke und Straßen, sogar auf Autos und Friedhöfe nimmt der freche Vogel keine Rücksicht. Alles wird mit Exkrementen bedeckt. Besonders schlimm scheint es im vergangenen Jahr auf dem Unterhachinger Friedhof zugegangen zu sein. „Es ist ein Saustall, wie der Friedhof verdreckt“, beschwerten sich Senioren. „Für was zahlt man eigentlich eine Grabgebühr?“ Ein Grabbesitzer überdeckte die letzte Ruhestätte sogar komplett mit Plastik. Eine andere Seniorin beschlich die nackte Angst vor Vogelattacken. Sie wappnete sich mit einem alten Regenschirm. „Ich bin schon angegriffen worden. Vor allem, wenn sie Junge haben, sind die Krähen sehr aggressiv.“
Besonders geschützt ist die Saatkrähe nicht. Sie steht auf keiner Roten Liste. Dennoch kann sie nicht einfach bejagt werden, das verbieten das Naturschutzgesetz und die EU-Vogelschutzrichtlinie. „Es gibt eigentlich nur eine vernünftige Methode, die Krähen zu vertreiben“, sagt Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Die Gemeinden müssten die Horstbäume zurückschneiden, wo der gesellige Vogel in ganzen Kolonien brütet. Das ist freilich nur bis zum 1. März erlaubt – und auch nur dann, wenn die Untere Naturschutzbehörde ihr Einverständnis erteilt. „Für diesen Sommer ist es also schon zu spät“, sagt Erlwein.
In Puchheim (Kreis Fürstenfeldbruck) darf noch bis diesen Sonntag eine andere Methode eingesetzt werden: die Vergrämung mit einem Falken, der über der Kolonie kreist und auch schon mal die ein oder andere Krähe reißt. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) meldet erste Erfolge: Die Zahl der Nester am Friedhof sei drastisch gesunken, von 237 auf 150. Allerdings darf der Falkner nur bis Ende März aktiv sein. Kommende Woche wird ein Mediationsverfahren entscheiden, ob der Falke auch weiterhin eingesetzt werden darf. Parallel wird versucht, die Krähen mit Falkenrufen aus Lautsprechern zu vertreiben. Das hat die Bahn vor Jahren auch am Pasinger Bahnhof ausprobiert, um die Tauben zu erschrecken. Mit mäßigem Erfolg – die Taube gewöhnte sich an den Ruf.
Der Vogelschutzbund wiederum hält ohnehin nicht viel von solchen Vergrämungsaktionen. Damit werde die Hauptkolonie nur in mehrere „Splitterkolonien“ zerteilt – sprich: Die Vögel siedeln sich woanders an. Das Hauptproblem sei doch, dass die Krähe zu wenig natürliche Nistplätze auf den Feldfluren habe. Deswegen weiche sie in Siedlungsgebiete aus, sagt LBV-Fachmann Erlwein.
OB Gotz hat noch ein weiteres Problem mit der Krähe: Wo sie auftrete, vertreibe sie die Singvögel. Was der Bürgermeister vielleicht nicht weiß: Auch die Krähen zählen zu den Singvögeln. „Sie sind stimmbegabt und vermögen mehr zu bieten als krächzende Lautäußerungen“, heißt es beim Naturschutzbund Nabu. dw/ham/op