Kochel am See/Schäftlarn – Sie haben es mit Rüttelstreifen probiert. Unterfahrschutz an den Leitplanken montiert, damit Motorradfahrer im Fall eines Sturzes nicht unter die scharfkantigen Leitplanken rutschen. Zuletzt hat das Staatliche Bauamt Weilheim schwenkbare Fahrbahnteiler am Kesselberg (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) angebracht. Dazu gibt es ein Bergauffahrverbot an Wochenenden und Feiertagen – dann dürfen Motorradfahrer zwar vom Walchensee Richtung Kochelsee fahren, aber nicht umgekehrt. „Wir haben viel versucht, um die Biker zu zügeln“, sagt Martin Herda vom Staatlichen Bauamt.
Die Behörde betreibt den Aufwand nicht ohne Grund, das zeigt der Blick in die Unfallstatistik: Auf Bayerns Straßen sind im vergangenen Jahr 147 Motorradfahrer gestorben, das sind fast 20 Prozent mehr als im Jahr 2017. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd waren 1128 Motorradfahrer an Unfällen beteiligt. 21 von ihnen kamen ums Leben, 991 wurden verletzt.
Eine der unfallträchtigsten Strecken: die B11 zwischen Kochel und Urfeld. 20 Unfälle mit Bikern haben sich 2018 am Kesselberg ereignet, bei einem davon starb ein 31-jähriger Mann, das erste Todesopfer seit 2012. Elf Schwer- und zehn Leichtverletzte forderten die übrigen Unfälle. Hauptunfallursache ist meist nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit. Auch das sagt die Statistik.
Die Polizei Kochel will nicht alle Motorradfahrer über einen Kamm scheren. Polizeichef Steffen Wiedemann sagt: „Es gibt auch Vernünftige, die diszipliniert fahren.“ Wiedemann will in diesem Jahr die Kontrollen am Kesselberg weiter verstärken. Unterstützt werden die Kochler Beamten dabei von der Kontrollgruppe Motorrad, die es seit 2015 gibt.
„Normale Motorradfahrer haben von uns nichts zu befürchten“, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Die aktuell 14 Beamten haben es auf so genannte High-Risk-Biker abgesehen. Sie sind auf den hoch frequentierten Strecken im Einsatz: am Kesselberg, am Sudelfeld, bei Garmisch-Partenkirchen und auf der Hochalpenstraße bei Berchtesgaden. Sie kontrollieren aber auch auf Ausweichrouten: „Wenn die Risikofahrer wegen der Kontrollen auf andere Strecken ausweichen, weichen wir halt mit aus.“
Ausweichen müssen Motorradfahrer möglicherweise schon bald am Klosterberg in Schäftlarn (Kreis München). Dort wird ein Motorrad-Verbot diskutiert. Obwohl Tempo 40 gilt, werde die Strecke zum Aufwärmen genutzt, beschweren sich die Anwohner. Sie fordern ein Wochenendfahrverbot, wie es die Stadt Scheßlitz (Kreis Bamberg) seit Herbst 2017 mit Erfolg testet. Das Landratsamt München ist skeptisch. Ein Verbot am Wochenende bringe nicht viel, weil viele der Kradunfälle unter der Woche passieren, so das Argument.
Ein Großteil der Motorradfahrer, da herrscht Einigkeit, fährt vorausschauend. Doch gerade zu Beginn der Saison haben sich die Biker und die anderen Verkehrsteilnehmer „noch nicht wieder aneinander gewöhnt“, erklärt Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern. Vieles liege in der Hand der Motorradfahrer, wie eine defensive Fahrweise. „Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen müssen erst wieder aufgefrischt werden“, sagt Kreipl. „Lange und anspruchsvolle Ausflüge wie Berg- und Passfahrten sollte man anfangs vermeiden.“ Sowohl der ADAC als auch die Polizei raten zu Fahrsicherheitstrainings für Biker.
Doch auch Autofahrer können sich vorbereiten. Der ADAC empfiehlt vor allem achtsames Fahren: kein riskantes Ein- oder Abbiegen, hektische Spurwechsel vermeiden, Kurven nicht schneiden und an den Schulterblick beim Überholen denken. Zudem sollten Autofahrer gezielt auf die schmale Silhouette von Kradfahrern achten.
Achtsamkeit ist auf Strecken wie am Kesselberg überlebenswichtig. Im Sommer entscheidet das Bauamt, ob als Unterstützung die Fahrbahnteiler bleiben sollen oder nicht. Die Straße werde innerhalb der nächsten fünf Jahre saniert, sagt Martin Herda, sie ist „in die Jahre gekommen“. Klar ist aber: Bauliche Maßnahmen allein retten keine Leben.