München – „Endlich!“, sagt Bernd Ohlmann. „Dieser Schritt war längst überfällig.“ Der Handelsverband Bayern freut sich, dass endlich wieder jemand einen Vorstoß gewagt hat, um an der streng geregelten Sonntags-Öffnung im Freistaat zu rütteln. Diesmal war es Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Er will einige verkaufsoffene Sonntage auch ohne Anlass ermöglichen (wir hatten berichtet). Und Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands, findet: „Das ist genau der richtige Weg. Die Kommunen brauchen Planungssicherheit.“
Denn bislang würden viele die Möglichkeit der vier verkaufsoffenen Sonntage im Jahr nicht nutzen, weil die Gewerkschaft Verdi häufig klage oder Klagen androhe. Die verkaufsoffenen Sonntage seien für den Einzelhandel enorm wichtig, erklärt Ohlmann. „Viele Familien nutzen sie, um sich zu informieren oder gemeinsam einzukaufen.“ Um gegen den Online-Handel anzukommen, sei es wichtig, das Angebot auch mal an einem Sonntag präsentieren zu können. Ohlmann betont aber auch: „Wir wollen nicht, dass die Zahl von vier verkaufsoffenen Sonntagen erhöht wird. Aber es muss in der Praxis einfacher und unbürokratischer werden, sie umzusetzen.“
Mit dieser Haltung ist der Einzelhandel ziemlich allein. Nicht nur Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) sprach sich am Freitag gegen die Lockerung aus. Die evangelische Landeskirche und das Erzbistum München-Freising zeigten sich erstaunt, dass Aiwanger vor seinem Vorstoß kein Gespräch mit den Kirchen gesucht habe. Beide betonten mit selbem Wortlaut, dass der Schutz von Sonn- und Feiertagen ein hohes, verfassungsrechtlich geschütztes Gut sei. Allein ökonomische Interessen würden nicht ausreichen, um Marktsonntage als Ausnahmen des Sonntagsschutzes zu rechtfertigen. Philip Büttner vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evangelisch-Lutherischen Kirche (kda) zeigte sich sehr verwundert über Aiwangers Vorschlag. „2013 hatte er sich noch für die Eindämmung verkaufsoffener Sonn- und Feiertage starkgemacht und auch den Sonntagskontrakt unserer kirchlich-gewerkschaftlichen Allianz unterschrieben“, berichtet er. Indem er nun eine Lockerung der Anlasspflicht fordere, greife er den Sonntagsschutz an der Wurzel an, findet Büttner. „Das würde das Prinzip kippen, dass kommerzielle Gründe keinen Vorrang haben dürfen.“ Andere Branchen würden sicher nachziehen, fürchtet er. Auch Verdi wirft Aiwanger Wortbruch vor. Noch 2018 habe er sich unmittelbar nach der Wahl gegen weitere Sonntagsöffnungen ausgesprochen. „Dass Aiwanger versucht, sich auf dem Rücken der Beschäftigten bei der Wirtschaft zu profilieren, ist wirklich bitter“, sagte Hubert Thiermeyer von Verdi Bayern.
Udo Klotz, Geschäftsführer des Amper-Einkaufszentrums in Fürstenfeldbruck, erhofft sich nicht viel von der erneuten Debatte über die Sonntags-Öffnung. „Im Lebensmittelhandel rechnet sich das kaum“, sagt er. Zumindest nicht bei dem momentanen Käuferverhalten. Zumal er für das Personal einen Sonntagszuschlag zahlen muss. Deshalb öffne das AEZ sonntags so gut wie nie – und eine Lockerung würde daran wohl nichts ändern.
Für viele Tankstellen hingegen würde es sogar Umsatzverluste bedeuten, wenn die Läden sonntags öfter öffnen würden. „Die Sonn- und Feiertage sind für uns eine große Umsatzstütze“, berichtet Elisabeth Kehrer, die in Peiting (Kreis Weilheim-Schongau) eine Tankstelle betreibt. Sonntags verkauft sie mehr Lebensmittel – zum Beispiel Grillwaren, die sie beim örtlichen Metzger bestellt. „Wir würden spüren, wenn das wegbricht“, sagt sie. Außerdem weiß sie aus ihrer Erfahrung: Trotz Zuschlags ist es nicht so leicht, Mitarbeiter für Sonn- und Feiertage einzuteilen. „Die Leute dafür muss man erst einmal finden.“