Bairisch soll endlich Schule machen

von Redaktion

Seit Jahr und Tag wird beklagt, dass der Dialekt an den Schulen vernachlässigt wird. Nun gibt es eine neue „Handreichung“ des Kultusministeriums zu Bairisch – verbunden mit vorsichtigem Optimismus, dass die Mundart noch zu retten ist.

VON DIRK WALTER

München – Es sind schöne Worte, mit denen gestern der Dialekt gelobpreist wurde. „Es ist herrlich, wenn man die Landsmannschaft schon am ersten Satz erkennt“, sagt Herbert Püls, der Amtschef des bayerischen Kultusministeriums. Dialekt, sagt Ingrid Ritt vom Wertebündnis Bayern, „ist etwas Schönes, das brauchen wir nicht verbergen“. Schon in der Bayerischen Verfassung stehe, in der Schule solle auch „Herz und Charakter“ der Kinder gebildet werden – da gehöre Bairisch unzweifelhaft dazu, sagt Adolf Dinglreiter vom Bayernbund.

Nun gibt es eine neue Handreichung „Mundart wertvoll. Lebendige Dialekte an bayerischen Schulen“. Auf 104 Seiten wirbt die Publikation für die Verbreitung von Dialekt in den Schulen.

Eine Bairisch-Inflation muss dabei niemand erwarten. Schon eine bereits einige Jahre alte frühere Dialekt-Fibel des Ministeriums war auf eine eher bescheidene Resonanz gestoßen. Ganze zehn Schulen in Bayern haben sich in den vergangenen Jahren wirklich ernsthaft mit Bairisch befasst.

Darunter ist auch die auf einem Schulcampus zusammengefasste Grund-, Mittel- und Realschule in Odelzhausen (Kreis Dachau), die in der neuen Schrift gleich mehrfach erwähnt wird – zum Beispiel mit einer mundartlichen Bearbeitung der Räuber-Kneißl-Geschichten oder mit einem bayerischen Kalender, den Grundschulkinder erstellten. Sehr aktiv war auch die Realschule in Neunburg vorm Wald, deren Schüler zum Beispiel Gstanzl einstudierten und bei einer Schulveranstaltung vortrugen.

Doch Papier ist geduldig – eine Pflicht zum Bairisch-Unterricht (wenigstens einzelne Stunden) gibt es nach wie vor nicht, obwohl Traditionsvereine immer wieder darauf drängen. Trotz mehrfacher Appelle etwa des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte finanziert das Ministerium auch keine umfassende Untersuchung, wo und wie oft Dialekt unter Schülern noch gesprochen wird. Wahrscheinlich fürchtet man ein niederschmetterndes Ergebnis.

So strichen die Teilnehmer der Veranstaltung gestern lieber Einzelfälle heraus – einzelne engagierte Lehrer, denen Bairisch wirklich etwas bedeutet. So jemand ist die Leiterin der Grundschule in Grabenstätt (Kreis Traunstein), Josephine Brunnhuber, die gestern acht Schüler mit in den Presseclub nach München genommen hatte. Im gut sitzenden Bairisch trugen die Kinder einige Stückl vor – sollte unter den Zuhörern ein waschechter Norddeutscher gewesen sein, weiß der jetzt zum Beispiel, dass es in Bayern nicht Kloß heißt, sondern Semmelknödel. Lehrer Thomas Lutz vom Neuen Gymnasium Nürnberg war begeistert. „Das hätte bei uns nicht funktioniert“, sagt er – in Nürnberg wird kaum noch Dialekt gesprochen. Trotzdem gab es an seinem Gymnasium ein P-Seminar zum Fränkischen. Auch so ein löblicher Einzelfall.

Für Karin Oechslein, Direktorin des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung, überwiegen die ermutigenden Signale. Zumindest werde Dialekt an der Schule nicht mehr diskriminiert, meinte sie. Sie habe noch selber erlebt, dass ein Ausdruck wie „er lurrte um die Ecke“ als „UGS“ (Umgangssprachlich) unterringelt werden musste.

Diskriminiert werde nicht mehr, versicherte Amtschef Püls. Allerdings dürfe man es auch nicht übertreiben mit dem Dialekt. Standarddeutsch bleibe Pflicht, „sonst hält einer in Hamburg ein Referat, und keiner versteht ihn“.

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