Flächenspar-Offensive startet mit Streit

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Kaum hat sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) hingesetzt, schimpft er schon auf die Grünen. Der Grund: Noch während die Auftaktveranstaltung „Flächensparoffensive“ mit 14 Parteien und Verbänden in Aiwangers Ministerium lief, verschickten die Grünen eine Pressemitteilung. Fraktionschef Ludwig Hartmann kritisierte Aiwanger für „Hinhaltetaktik“ und „mangelndes Problembewusstsein“. Der Minister konterte, unterstellte den Grünen, nur „ein Kriegsthema“ haben zu wollen. Das Ziel sei klar, sagte Aiwanger: Der hohe Flächenverbrauch müsse gestoppt werden. 11,7 Hektar wurden 2017 pro Tag verbaut und versiegelt. „Wir wollen auf etwa die Hälfte runter.“ Im Koalitionsvertrag sind fünf Hektar pro Tag als „Richtgröße“ genannt. Noch in diesem Jahr soll das Fünf-Hektar-Ziel im Landesentwicklungsprogramm verankert werden. Freilich: Der Wirtschaftsstandort Bayern dürfe keinesfalls gefährdet werden, betonte der Wirtschaftsminister. Hier gebe es „Zielkonflikte“, die gelöst werden müssten.

Die Frage ist allerdings, auf welche Weise. Die Grünen hatten in einem Volksbegehren vorgeschlagen, an Gemeinden Flächenverbrauchszertifikate zu verteilen. Das stellte sich als verfassungswidrig heraus. Auch Aiwanger hält von Zertifikaten nichts, wie er erklärte. Dann würden nur reiche Gemeinden ärmeren Kommunen „aus der Portokasse“ Flächenverbrauchsrechte abkaufen. Stattdessen nannte er eine Reihe von Einzelpunkten: Dann müsse zum Beispiel die Nachnutzung leer stehender Bauernhäuser erlaubt sein. „Früher wohnten da 30, 40 Leute mit Knechten und Mägden, heute vielleicht ein Junggeselle.“ Der Wohnungsbau, nicht etwa Gewerbe oder Straßen, sei überhaupt der größte Posten beim Flächenverbrauch. Auch kleinere Kommunen müssten Bebauungspläne ausweisen, in denen mehr als das obligatorische „1 plus D“ (ein Geschoss plus Dachgeschoss) erlaubt sei. Doch auch den Verbrauch von Flächen durch Straßenbau findet Aiwanger zu hoch. „Da wird häufig landfressend saniert.“ Und die Planungsbeiräte der Regionalen Planungsverbände, die stets mehrere Landkreise umfassen, müssten sich künftig gut überlegen, wo sie Logistikhallen unterbringen – denn das Landschaftsbild müsse besser geschützt werden. Aiwanger kündigte sogar an, die Lockerung des Anbindegebots „teilweise“ zurückzunehmen. Diese erlaubt den Bau von Logistikhallen abseits von Gewerbegebieten etwa an Autobahnen. Mit dieser Ankündigung ging Aiwanger über den Koalitionsvertrag von CSU und FW hinaus, denn dort ist nur vereinbart, dass die umstrittene Lockerung überprüft wird. Aiwangers Parteifreund und Umweltminister Thorsten Glauber blieb denn auch beim alten Sprachgebrauch („auf den Prüfstand“).

Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) warnte mit Blick auf Aiwanger davor, „alte Schlachten zu schlagen“ – das Anbindegebot sei gewiss nicht das Hauptproblem.

Die bayerische Wirtschaft warnte gestern vor „starren“ Vorgaben. Nicht jede genutzte Fläche sei ja auch tatsächlich versiegelt. Selbst der Englische Garten zähle statistisch gesehen zur Siedlungsfläche, erklärte die IHK. Grünen-Fraktionschef Hartmann sprach im Gegenzug von „erschütternden Stellungnahmen der Wirtschaftslobby“. Wenn man in der Praxis nicht vorankomme, dann werden „wir immer mehr Fälle für die Volksgesetzgebung haben“ – sprich: ein neues Volksbegehren.

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