Rückenwind für die Integration

von Redaktion

Bayern hat Arbeitsgenehmigungen für Flüchtlinge bisher sehr restriktiv vergeben. Die neue Weisung des Innenministeriums gibt den Behörden nun mehr Spielraum bei Asylbewerbern, die gut integriert sind. Helfer und Arbeitgeber atmen auf. Die Arbeitsverbote haben sie vor große Probleme gestellt.

VON KATRIN WOITSCH

München – Max Niedermeier hat in den vergangenen drei Jahren kein Gespräch mit einem Politiker geführt, ohne die Arbeitsverbote für Flüchtlinge anzusprechen. Erst neulich hat der Miesbacher Integrationsbeauftragte einen Besuch der Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) genutzt, um ihr zu berichten, wie sich die Stimmung in den Asyl-Unterkünften verändert hat, seit viele Flüchtlinge ihre Jobs oder Ausbildungsplätze verloren haben. Aus Motivation ist Frust geworden, sagt Niedermeier. Ständig wird er gefragt: „Warum darf ich nicht mehr arbeiten?“

Eine Antwort darauf hat er nicht. Denn wie die meisten Asylhelfer versteht auch er nicht, warum die Staatsregierung die Ausländerbehörden 2016 angewiesen hatte, Arbeits- und Ausbildungserlaubnisse nur noch an Asylbewerber mit guten Bleibeperspektiven auszugeben. Von Landkreis zu Landkreis wurde sehr unterschiedlich mit dieser Weisung umgegangen. In vielen Gemeinden gibt es Flüchtlinge, die geduldet sind oder noch keinen Asylbescheid haben, aber wieder von Sozialleistungen leben müssen, weil sie kein Geld mehr verdienen dürfen.

Das soll sich nun ändern. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat am Montag eine neue Weisung an die Behörden verschickt (wir hatten berichtet). Künftig sollen Integrations- und Schulleistungen sowie bürgerschaftliches Engagement bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Auch Geduldete, die nicht abgeschoben werden können, sollen wieder arbeiten dürfen. Diese Kehrtwende hat die Asylhelfer überrascht. Max Niedermeier will nun keine Zeit verlieren. „Wir müssen die Motivation schnell wieder aufbauen.“

Auch Peter Barth aus Hebertshausen (Kreis Dachau) hat gestern sofort andere Helfer angerufen, als er von der neuen Weisung erfuhr. Denn er kennt genug Flüchtlinge, die seit Jahren untätig sein müssen. Einer von ihnen ist Alioune aus dem Senegal. Er hat durch die Arbeitsverbote seinen Job in einem Gartencenter verloren – und sein Vertrauen in die Asylhelfer. „Ich habe ihm immer gesagt, dass er hier eine Chance hat, wenn er fleißig ist“, erzählt Barth. Als Alioune keine Arbeitserlaubnis mehr bekam, hat er sich auch von den Helfern abgewandt. „Er glaubt, wir haben ihn belogen.“ Alioune ist kein Einzelfall. Senegalesen können nicht in ihre Heimat abschoben werden. „Wir haben bei uns viele junge Männer, die nun demotiviert sind, nicht mehr Fußball spielen oder Deutsch lernen.“ Die Entscheidung, die Arbeitsverbote zu lockern, hätte viel früher fallen müssen, findet der 71-Jährige. „Für viele kommt sie zu spät.“ Heute will Barth mit der Ausländerbehörde Kontakt aufnehmen – und Flüchtlingen wie Alioune dann vorsichtig Hoffnung machen.

Auch Hubert Schöffmann, der bildungspolitische Sprecher der bayerischen Industrie- und Handelskammer, ist noch vorsichtig euphorisch. „Wir müssen jetzt abwarten, wie die Ausländerbehörden die neue Weisung umsetzen“, sagt er. Dass es bisher regional so große Unterschiede gab, habe die Unternehmen vor große Probleme gestellt. Die Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen, habe aber trotz der großen Hürden nicht nachgelassen. Trotz Arbeitsverboten seien in den vergangenen drei Jahren 6000 Flüchtlinge ausgebildet worden. „Die angekündigte Erleichterung wäre für die Integration ein enormer Rückwind“, sagt er. „Die Arbeitgeber brauchen endlich Planungssicherheit.“

Das betont auch Bozidar Petrak von der Schreiner Group in Oberschleißheim (Kreis München). In seinem Betrieb hat bisher kein Flüchtling die Arbeitserlaubnis entzogen bekommen. Aber er kennt viele dieser Fälle. „Die Entscheidung ist extrem wichtig für uns Arbeitgeber“, sagt er. Nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels. „Es kommt oft vor, dass ein Betrieb zehn Azubis sucht, aber nur sechs Bewerbungen bekommt.“

Tanja Burkhard von dem gleichnamigen Schweißtechnikbetrieb in Kaufbeuren im Allgäu ist nicht so euphorisch. Sie hatte neun Flüchtlinge beschäftigt, sechs sind abgeschoben worden oder durften plötzlich nicht mehr arbeiten. Das hat sie viele Aufträge gekostet. „Wir haben die Menschen mit großem Aufwand qualifiziert, aber Schweißer ist keine anerkannte Ausbildung“, sagt sie. Deshalb werde ihr Betrieb wohl nicht von der neuen Weisung profitieren. „Wir stellen nun keine Asylbewerber mehr ein“, sagt sie. Die Probleme der letzten Jahre könne sich ihr Betrieb nicht noch einmal leisten.

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