München – Die Autobahndirektion Südbayern ist eine staatliche Behörde, ein Kommentar zur aktuellen Diskussion um das Tempolimit ist von ihr nicht zu erwarten. Wohl aber Zahlen zur Unfallhäufigkeit. Die behördeninterne Zentralstelle für Verkehrssicherheit im Straßenbau (ZVS) erfasst alle Unfälle auf den bayerischen Autobahnen. Zuletzt waren es über 10 000 pro Jahr, so zeigt es die Statistik, die auf Anforderung unserer Zeitung erstellt wurde.
Im Schnitt sterben in Bayern über 600 Menschen bei Verkehrsunfällen, davon über 70 Personen auf den bayerischen Autobahnen. Über 850 werden schwer verletzt. Trauriger Spitzenreiter in Südbayern ist dabei die Stuttgarter Autobahn 8 mit zuletzt über 800 Unfällen allein auf dem bayerischen Abschnitt. Steigende Unfallzahlen registriert die Polizei indes vor allem auf der Garmischer Autobahn 95. Hier ist auch die Zahl der Unfälle aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit mit 52 Prozent am höchsten. Im Schnitt aller bayerischen Autobahnen sind es 28 Prozent.
Der Blick auf die Unfallursachen zeigt, dass jede Autobahn ihr eigenes Profil hat. Die Faustregel lautet: Je dichter die Autobahn befahren wird, desto geringer ist die Zahl der Geschwindigkeitsunfälle – und umgekehrt. Vor allem auf der Garmischer Autobahn 95 „haben wir die extremen Hochgeschwindigkeitsunfälle“, sagt der Sprecher der Autobahndirektion, Josef Seebacher. Ein prominentes Beispiel gab es erst im Dezember vergangenen Jahres: Der Bayern-Spieler Kingsley Coman (22) verunglückte kurz hinter München mit seinem McLaren-Sportwagen (720 PS). Er hatte „wohl ein wenig zu heftig auf das Gaspedal“ gedrückt, wie es ein Polizeisprecher ausdrückte. Ein klassischer Fall von nicht angepasster Geschwindigkeit? Dieser Begriff ist erklärungsbedürftig. „Es geht dabei nicht um die absolute Geschwindigkeit, sondern darum, ob in der konkreten Unfallsituation die Geschwindigkeit angepasst war“, erklärt Seebacher. Anders ausgedrückt: Bei Nebel oder Schnee könne eine unangepasste Geschwindigkeit auch Tempo 60 sein.
Wenig verwunderlich: Zu schnelles Fahren ist auch bundesweit eine der Hauptunfallursachen, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. Demnach rasten 2017 181 Menschen bundesweit bei Geschwindigkeitsunfällen auf Autobahnen in den Tod, 2478 wurden schwer verletzt. Das waren 44 Prozent aller Toten und 41,5 Prozent aller Schwerverletzten auf Autobahnen überhaupt. Die Statistiker weisen aber darauf hin, dass Autobahnen – bezogen auf die gefahrenen Kilometer – trotzdem die sichersten Straßen sind.
Eine Einschränkung gibt es: Der Begriff nicht angepasste Geschwindigkeit ist eine Art Sammelbegriff, wenn andere Erklärungen nicht greifen, etwa der schnelle Griff zum Handy, eine kurze Unaufmerksamkeit, Übermüdung – all das ist für die Polizei nach einem Unfall schwer zu eruieren. „Wie soll ich denn Smartphone-Nutzung am Steuer als Unfallursache nachweisen?“, fragt sich Karl Wiedemann von der Verkehrspolizeiinspektion (VPI) Weilheim. Die VPI ist für weite Teile der A 95 zuständig – und ihr Revier weist gleich mehrere Besonderheiten auf: die Autobahn ist bis auf wenige Beschränkungen bei nasser Fahrbahn und nachts ohne Tempolimit. Und sie ist vor allem werktags nur schwach befahren, was Rasen begünstigt. Das erklärt auch die hohe Zahl an Geschwindigkeits-Unfällen.
Jedes Jahr prüft eine Unfallkommission, ob nicht doch an manchen Stellen eine Geschwindigkeitsbegrenzung notwendig ist. „Aber die Zahlen geben das nicht her“, sagt Seebacher. Nur eine kleine Einschränkung könnte, wenn die Kommission im Herbst wieder tagt, spruchreif werden: eine Nässe-Beschränkung auf der Ohlstadter Loisachbrücke. Tempo 80 bei Regen mache hier Sinn, sagt Polizist Wiedemann.