Streit um Frauenquote für Landtag

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Unter den ersten war Ellen Aurora Elisabeth Morgenröte Ammann, geborene Sundström. Für die Bayerische Volkspartei zog sie im Jahr 1919 in den Landtag ein. Als tapfer und kämpferisch charakterisieren Historiker die damals 49 Jahre alte Münchnerin. „Man bescheinigte ihr mehr Mut als manche Herrn in Männerhosen“, verzeichnet das Museum der Bayerischen Geschichte. „Der einzige Mann im Landtag“, hieß es nach ihrem Einsatz gegen den Hitlerputsch 1923.

100 Jahre nach Ammanns Wahl, damals eine mittlere Sensation, sind Frauen im Landtag keine Ausnahme mehr, aber noch immer unterrepräsentiert. Über die Jahrzehnte hinweg ist der Anteil an Frauen zwar allmählich gestiegen, 1986 erstmals über zehn Prozent, 1994 über 20 Prozent, 2008 über 30 Prozent – seither hat er aber wieder abgenommen. Seit der Landtagswahl 2018 sind es nur noch 26,8 Prozent. Die Kämpfer für einen höheren Frauenanteil werden deshalb ungeduldig. „Ich will nicht noch mal 100 Jahre warten“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen.

Schulzes Fraktion legt nun einen Gesetzentwurf vor, um einen höheren Frauenanteil zu erzwingen. Heute Nachmittag werden dieser Plan und ein konkurrierendes Konzept der SPD im Plenum diskutiert. Beide haben zwar keine Chance auf eine Mehrheit gegen CSU, Freie Wähler, FDP und AfD, zu erwarten ist aber eine leidenschaftliche Debatte.

Die Grünen schlagen vor, die Zahl der Stimmkreise in Bayern (aktuell 91) zu halbieren und in jedem dafür zwei Kandidaten zu wählen, einen Mann und eine Frau (oder einen diversen Menschen). Damit wären die Direktabgeordneten automatisch quotiert.

Einen höheren Frauenanteil bei den über Liste gewählten Abgeordneten (die andere Hälfte) wollen die Grünen über quotierte Listen der Parteien erreichen. Dort sollen abwechselnd Männer und Frauen hintereinander stehen. Das sorgt zwar nicht automatisch für Parität – niemand kann dem Wähler vorschreiben, auf den Listen einen Mann oder eine Frau anzukreuzen –, aber wohl für einen höheren Frauenanteil. Fix festlegen können die Grünen, anders als ihr in dieser Frage ungenauer Antrag vorgibt, eine 50-Prozent-Quote im Parlament nicht. Sie wollen aber eine verpflichtende Frauenquote von 50 Prozent im Kabinett. „Freiwilligkeit oder Selbstverpflichtungen der Parteien reichen nicht mehr“, sagt Schulze.

Verfassungsrechtlich ist das Konzept umstritten. Mehrere Experten warnten zuletzt, das beschneide Freiheit und Gleichheit der Wahl. Als Vorbild wird Brandenburg gern genannt, das Land gab sich letzte Woche ein neues Wahlgesetz – allerdings nur mit Quote auf den Listen, ohne Veränderung der Stimmkreise. Das ging selbst Linken und SPD im Land zu weit.

Auch in Bayern will die SPD nur quotierte Listen vorschlagen, geht aus ihrem Gesetzentwurf hervor. „Damit befinden wir uns verfassungsrechtlich auf der sicheren Seite“, sagt Fraktionsvize Simone Strohmayr. Das Grünen-Konzept sei „unausgegoren“.

Das Ziel sei richtig, das Vorgehen falsch, heißt es aus der CSU, die verfassungsrechtliche Bedenken vorbringt. Die AfD spricht von „Willkür“. Die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner sagt: „Frauen sind keine hilflosen schutzbedürftigen Wesen, denen man im Parlament Sitze reservieren müsste.“ FDP-Fraktionschef Martin Hagen hält beide Entwürfe für verfassungswidrig: „Ein Paritätsgesetz überbetont auch die Bedeutung des Geschlechts für die politische Arbeit von Abgeordneten.“

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