München – Es sind 20 Minuten, die Sepp Fleischmann von sich daheim bis zur Arbeit braucht. Mit seinem grünen Traktor der Firma Fendt kämpft sich der hauptberufliche Landwirt am Sonntag durch das Schneetreiben von seinem Pachthof in Oberding direkt zum Flughafen. Dort ist er mit über 490 weiteren Landwirten und Fuhrunternehmern aus dem Umland des Airports in diesen schneereichen Tagen im Dauereinsatz. Dank ihnen sind die Wege für den Flugbetrieb frei. Ohne sie würde nichts mehr gehen.
Von Oktober bis Mitte April ist er rund um die Uhr im Einsatz. Wenn der Landwirt von der Winterdienstzentrale alarmiert wird, muss er innerhalb von 60 Minuten startklar sein, um für die Flughafen München GmbH (FMG) zu räumen. So wie vergangenen Sonntag. 25 Zentimeter hoch hat es auf dem Gelände geschneit. Für den erfahrenen Schneeräumer ist der heurige Winter kein besonderer. „Da gab es schon ganz andere“, sagt er. Er kommt bis jetzt auf 100 Einsatzstunden plus 180 Stunden Wartezeit. Wenn er beispielsweise um Mitternacht alarmiert wird, da der deutsche Wetterdienst um 3 Uhr morgens Schnee vorhersagt.
Stress lässt Fleischmann nach über 25 Jahren Erfahrung aber nicht mehr aufkommen. Jeder Handgriff sitzt. Routiniert montiert er mit einem 36er-Schraubenschlüssel die Spezialausrüstung an seinen Schlepper. Vorne einen fünf Meter breiten Schneepflug, hinten den Kehranhänger. Ein letzter prüfender Blick zum Schluss. Denn erst, wenn sein Fendt den nötigen Anforderungen sowie Sicherheitsaspekten der FMG-Richtlinien entspricht, bekommt er von der Technikabteilung grünes Licht. Alleine die zwei Start- und Landebahnen, Vorfelder und Rollwege umfassen eine Fläche von über vier Millionen Quadratmetern. „Das entspricht in etwa der Größe des Wörthsees oder 560 Fußballfeldern“, sagt Robert Wilhelm, Sprecher des Flughafens. Fleischmann rückt dieser Fläche mit einer Winterdienst-Kolonne aus 16 riesigen Räumfahrzeugen zu Leibe. In V-Formation wird eine breite Schneise durch den Schnee auf der Startbahn geschnitten. Gerade mal 25 Minuten benötigen die Mitarbeiter, um sie von Eis und Schnee zu befreien. Dafür sorgen 172 Arbeiter pro Zwölf-Stunden-Schicht. Neben den Landwirten und Fuhrunternehmern sind 47 Festangestellte des Flughafens im Einsatz. „Überwiegend in Führungsfunktionen“, sagt Wilhelm. Unter ihnen ist Georg Eglsoer, Einsatzleiter des Winterdienstes. Er ist der Herr über 22 Kehrblasgeräte, sechs Schneepflüge, Sprüh- und Streufahrzeuge und sogar eine Pistenraupe.
Die meisten Flächen werden umweltschonend mechanisch gesäubert. Auf fünf Deponien lagern die Räumer über 450 000 Kubikmeter Schnee. Nur bei Vereisungsgefahr kommen chemische Mittel zum Einsatz. Dann versprühen die Mitarbeiter „etwa 3000 bis 4000 Liter Kaliumformiat pro Bahn“, sagt Eglsoer. Eine Maschine mit 45 Meter langen ausfahrbaren Armen verteilt das Mittel. Zwei Rinnen aus Stahlbeton fangen die abtauende Flüssigkeit auf. „Vom Schmelzwasser-Rückhaltebecken aus wird es kontrolliert an das Klärwerk in Eitting geleitet.“
Ist die Enteisung geglückt, fliegen die Vögel wieder. Zumindest die meisten. 350 Flüge starteten am Sonntag trotzdem nicht. Zum einen wegen des Wetters, zum anderen aufgrund eines Streiks des Bodenpersonals am Airport Hamburg. Die Gewerkschaft Verdi hat einen Warnstreik für Montag ausgerufen. Mitarbeiter der Gepäckabfertigung, Flugzeug-Reinigungskräfte sowie Busfahrer im Flugvorfeld legten die Arbeit nieder. 18 der insgesamt 150 ausgefallenen Flüge gingen auf ihr Konto. „Da hatten wir gut zu tun“, sagt Wilhelm.