Kirchheim – Zwölf Jahre lang führte Sven D. eine harmonische Ehe – so wirkte es zumindest nach außen. Denn als seine Frau sich in einen Mann verliebte und plötzlich eine offene Beziehung leben wollte, rastete der 51-jährige Vertriebsleiter im Mai 2018 in Kirchheim (Kreis München) völlig aus. Einen ganzen Tag lang betrank er sich, dann überfiel er seine Frau im eigenen Haus, fesselte sie an die Heizung und steckte ihr einen Knebel in den Mund, um sie heftigst zu verprügeln. „Ich wollte, dass sie mir endlich mal zuhört“, sagte Sven D. gestern vor dem Münchner Amtsgericht. Dort musste er sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ursprünglich war sogar wegen versuchten Totschlags ermittelt worden.
„Ich fühlte mich gedemütigt und hatte starke Verlustängste“, erklärte Sven D. Jahrelang habe er seine Frau zuvor „auf Händen getragen“, wie er beteuert. Mit ihrer Nachricht sei er dann nicht klargekommen. „Ich wurde aus dem Idyll meiner Ehe jäh herausgerissen.“ Laut Verteidiger Michael Adams kam es zu einer Verzweiflungstat. Mehr als vier Stunden lang dauerte das Martyrium der Frau. Bis heute leidet sie unter starken Ängsten – auch deshalb, weil ihr Mann drohte, ihr das Gesicht zu zerschneiden. Befreien konnte sie sich nur, weil Sven D. auf einem Schafsfell ausgerutscht war und benommen am Boden lag. Drei Promille Alkohol hatte er im Blut. Die verletzte Ehefrau flüchtete mit Würgetrauma und Kopfverletzungen in eine Klinik. „Ihr Zustand war lebensbedrohlich“, sagte Staatsanwältin Nina Prantl. Weil die Polizei eine Geiselnahme vermutete, rückte sogar ein Spezialkommando an, um Sven D. zu verhaften. Beamten hatte er zuvor mit einer Schusswaffe gedroht und schrie: „Wenn ihr mich holt, dann sterben wir alle zusammen.“
Vor Gericht gab sich der Vertriebsleiter gestern lammfromm. Er entschuldigte sich bei seiner Frau, die dank seines Geständnisses und einer Schlichtungsvereinbarung nicht aussagen musste. Ihr muss Sven D. nun 12 000 Euro Schmerzensgeld zahlen und willigte obendrein der von ihr eingereichten Scheidung ein. Ins Gefängnis muss er trotzdem: Der Richter verurteilte Sven D. zu drei Jahren und zwei Monaten Haft. ANDREAS THIEME