UNSERE HEIMATSPITZE

Staatshämorrhoidarius und Kasperlgraf

von Redaktion

VON BEZIRKSHEIMATPFLEGER NORBERT GÖTTLER

Der „Arme Poet“, dieses wunderbare Bild von Carl Spitzweg (das, nebenbei gesagt, wegen der anfallenden Renovierungsarbeiten nur mehr für kurze Zeit in der Neuen Pinakothek zu bewundern ist), hat schon manchen hoffnungsvollen Literaten ins Grübeln kommen lassen. Brotlos sei diese Kunst für die allermeisten, so heißt es, und die Aussicht auf eine undichte Dachkammer als Refugium wenig inspirierend!

Wenn schon nicht ganz Abschied nehmen von der Feder, dann muss wenigstens ein einträglicher Brotberuf her! Themennah als Redakteur, Übersetzer oder Lektor unterzukommen, ist eine Möglichkeit – eine vollkommen andere Erwerbsbasis zu suchen eine andere. Hans Carossa und Gottfried Benn arbeiteten als Ärzte, E.T.A. Hofmann, Ludwig Thoma und Herbert Rosendorfer als Juristen und den ehemaligen Literaten Theodor Heuss zog es in die Politik – er wurde erster deutscher Bundespräsident nach dem Krieg.

Der Notbehelfe also sind viele – dass sich aber ein Verwaltungsbeamter literarisch-künstlerische Lorbeeren erobert, ist doch eher ungewöhnlich! Nun, der Titel Verwaltungsbeamter ist zwar nicht falsch, riecht aber ein wenig nach Understatement: Jurist, Oberstkämmerer und Zeremonienmeister unter drei bayerischen Königen war er, dazu ein künstlerisches Universaltalent, das zeichnen, malen, musizieren, komponieren und dichten konnte. Die Rede ist von Franz Graf von Pocci (1807-1876), der im alten Königreich Bayern nicht nur auf jedem politischen Parkett zu Hause war, sondern auch genügend feine Distanz wahrte, um sich über jene lustig zu machen, die drauf herum- stolzierten.

Sein berühmtestes Produkt war der Kasperl Larifari, der den Leuten und auch den Zensoren seiner Zeit den boshaften Spiegel vor die Nase halten durfte. Humor und Politik ist ja in unseren schwierigen Zeiten eine seltene Kombination geworden und auch Poccis Seele hatte eine lustige, aber auch eine düstere Seite. Wie viele Komödian-ten und Gaudimacher war er von Depressionen und Selbstzweifeln geplagt, die er mit einer wahren Arbeitswut – rund 3000 Karikaturen sind aus seiner Feder überliefert – zu bekämpfen suchte. Sich selbst schonte er übrigens keineswegs und stellte sich als „Staatshämorrhoidarius und Kasperlgraf“ dar.

Die Karriere Poccis zeigt übrigens, wie sehr bayerische Kultur immer schon migrantisch befruchtet wurde. Der Vater Graf Fabrizio Pocci stammte aus Italien, hatte sich als Generalleutnant am bayerischen Hof einen Namen gemacht und dem Sohn so manche Tür in der Residenz geöffnet.

Wer sich über Leben und Werk Franz von Poccis ein Bild machen möchte, kann dies noch bis zum 16. Dezember in den Räumen der Fachberatung Heimatpflege im alten Kloster Benediktbeuern tun. Dass Paul Heyse nicht der Erbauer der gleichnamigen Münchner Unterführung ist, sondern der erste deutsche Literaturnobelpreisträger, das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nach der Benediktbeurer Ausstellung soll niemand mehr sagen, Pocci sei wahrscheinlich der Ingenieur der gleichnamigen Münchner U-Bahn-Haltestelle gewesen!

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