Bahnstreik: Das war heftig!

von Redaktion

Eigentlich war jeder seit Sonntag vorgewarnt: Doch der Streik der Eisenbahnergewerkschaft EVG hat den Großraum München unerwartet heftig getroffen. 400 Streikende schafften es, den Bahnverkehr komplett lahmzulegen.

Der Streiktag

Wumms – das saß. Der Bahnstreik der Gewerkschaft EVG hat am Montagfrüh fünf Stunden lang die S-Bahn, Regional- und Fernverkehr lahmgelegt – nicht nur im Großraum München, sondern beispielsweise auch in Berlin, weniger offenbar in Ostdeutschland. Nach einer Schätzung der Bahn standen bundesweit über 1400 Züge der DB still – die S-Bahnen wohl nicht mitgezählt. Auch Meridian, BOB und BRB fuhren nicht – zum Ärger des Konzernchefs Tobias Heinemann. „Dass unsere Unternehmen jetzt zu Kollateralschäden der Auseinandersetzung werden, ist nicht akzeptabel.“

Die S-Bahn traf es schon kurz nach 4 Uhr hart – der Verkehr auf den Außenästen wurde komplett eingestellt. Zwischen Pasing oder Ostbahnhof gab es zunächst noch einen Pendelverkehr, doch gegen 6 Uhr wurde auch der eingestellt. Gefluche auf den Bahnhöfen. „Ich bin seit 4.30 Uhr wach, ich habe keine Lust mehr“, sagte ein Bahnkunde in Dachau. Andere übten sich in Fatalismus. „Es ist doch schon fast wurscht, ob die Bahn wegen Notarzt-Einsatz, Oberleitungsschaden oder eben Streik nicht fährt“, sagte eine Frau, die sich müde in eine Sitzecke der S4 Buchenau kuschelte. Manche waren am Morgen gänzlich ahnungslos – wie Jörg Wallersbacher aus München. „Ich habe im Vorfeld nichts von dem Streik mitgekriegt“, bekannte er. „Heute Morgen hat es mich dann kalt erwischt.“ Auch die Fürstenfeldbruckerin Angela Schmidhuber war von der Wucht des Streiks überrascht. „Ich habe es gestern schon verfolgt, aber da hieß es noch, gestreikt werde vor allem in Westfalen.“ Von Bayern sei keine Rede gewesen.

Tausende von Terminen wurden an diesem Montagmorgen verschoben. Manchmal war das nicht möglich: Rainer Ksoll aus München war mit seiner Frau auf dem Weg zu einer Beerdigung. „Wir müssen in Richtung Innsbruck.“ Doch der Zug verspätet sich. „Ich hoffe, wir kommen noch rechtzeitig.“

Zusätzlich Pech hatten die Pendler der Werdenfelsbahn: Zwei Stunden nach offiziellem Ende des Streiks verursachte ein offenbar zu hoch beladener Lkw am Bahnübergang Wilzhofen zwischen Weilheim und Tutzing einen Kurzschluss in der Oberleitung – über eine Stunde herrscht danach wieder Stillstand.

Chaos auf der Straße

Wer rechtzeitig – vor 6 Uhr – umschaltete, konnte noch einigermaßen staufrei per Auto Richtung München fahren. Doch wie nicht anders zu erwarten, waren vor 7 Uhr und damit früher als sonst viele größere Zubringerstraßen nach München verstopft, zum Beispiel die B2 und die B471 ab Fürstenfeldbruck Richtung Autobahnen, wo die Autofahrer kurz nach 8 Uhr 50 Minuten im Stau standen. Nicht besser war es auf der Bundesstraße 304 von Dachau in die Landeshauptstadt. Auf der Zufahrtsachse für MTU und MAN ging es nur noch im Schneckentempo vorwärts. Unmut zogen sich manche Taxiunternehmen zu, weil sie sich weigerten, Richtung München zu starten. „Aber es war überall Stau“, stöhnte Günter Senf, Taxifahrer aus Dachau.

Die Kontrahenten

Gestreikt hat diesmal nicht die Lokführergewerkschaft GdL, sondern die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die zum DGB gehört und mit 160 000 Beschäftigten bundesweit sehr viel größer ist als die GdL. In der EVG sind Zugbegleiter, Rangierer und auch die Beschäftigten der Stellwerke organisiert. Entscheidend für den gestrigen Stillstand war vor allem letztere Gruppe. Viele Stellwerke, selbst im weit entfernten Würzburg, sind mittlerweile in der Betriebszentrale München nahe der Donnersbergerbrücke zentralisiert. Das erleichterte es der EVG, durch Bestreiken einer Schicht den Betrieb großflächig lahmzulegen.

Um was geht es?

Es geht um Geld – aber auch mehr Freizeit. Die EVG verlangt 7,5 Prozent mehr Geld für die Mitarbeiter. Außerdem will sie, dass Arbeitnehmer statt des Geldes mehr Urlaub oder eine kürzere Arbeitszeit wählen können. Die Bahn hatte ihr neben einer Einmalzahlung von 500 Euro eine Entgelt-Erhöhung in zwei Stufen angeboten: 2,5 Prozent zum 1. März 2019, weitere 2,6 Prozent zum 1. Januar 2020, bei einer Vertragslaufzeit von 29 Monaten.

Umstritten ist nicht nur die Lohnerhöhung, sondern auch, welche Wahlmöglichkeit zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit greifen soll. Auch Laufzeit des Vertrags und die Altersvorsorge sind kritische Punkte. „Das sind die letzten Themen auf der Schlussgeraden“, sagte EVG-Verhandlungsführerin Rusch-Ziemba. Heute wird die Bahn mit EVG und der Lokführer-Gewerkschaft GdL getrennt weiterverhandeln. Beide wollen in ihren Tarifverträgen unterschiedliche Schwerpunkte setzen – Ausgang offen.  dw/dg/no/dpa

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