München – Pünktlichere Züge, das ist es, was sich viele Fahrgäste am sehnlichsten wünschen. Erst diese Woche hatte eine Bundestagsanfrage der Grünen offenbart, dass die Pünktlichkeitswerte der S-Bahn München aber äußerst unbefriedigend sind. Am häufigsten zu spät ist die Freisinger S1.
Durch eine Neuerung bei der Organisation der Abfahrten auf der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Pasing und Ostbahnhof will die S-Bahn jetzt wertvolle Sekunden gewinnen. Züge sollen nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ (die Bahn spricht von First come, first served) den Bahnhof verlassen. Das heißt: Die S-Bahn will nicht mehr strikt die im Fahrplan vorgegebene Reihenfolge einhalten, sondern lässt es im Zweifelsfall zu, dass ein Zug bis zu zwei Minuten früher abfährt.
Das Problem tritt vor allem an den Bahnhöfen Pasing, Laim, Donnersbergerbrücke und Ostbahnhof auf: Eine S-Bahn trudelt beispielsweise am Bahnhof Laim ein, fährt aber dann minutenlang nicht weiter. Der Grund ist einfach: Sie muss einer anderen S-Bahn den Vortritt lassen, die laut Fahrplan vor ihr fahren soll. Ist diese – wie es beispielsweise bei der vom Norden her in die Stammstrecke einfädelnden S1 der Fall ist – einige Minuten später dran, bauen sich Verspätungen im gesamten Betrieb auf.
Mit Simulationen hat die S-Bahn getüftelt, wie sich das ändern lässt. Ergebnis: Die S-Bahnen sollen im Innenraum nicht mehr strikt den Fahrplan einhalten. „In der Theorie hat das geklappt, nun schauen wir, ob das im Praxistest funktioniert“, sagt der Münchner S-Bahn-Chef Heiko Büttner. Ab Montag soll das neue Abfahrts-Prinzip fünf Tage lang jeweils in der Hauptverkehrszeit am Morgen zwischen 6 und 9.30 Uhr ausprobiert werden. Am Morgen deshalb, weil ab Pasing oder Ostbahnhof meist nur Fahrgäste zusteigen, die in der Innenstadt wieder aussteigen. Ihnen ist es egal, ob sie in eine S8 oder S4 ein- und aussteigen. Bei rund 90 Prozent der Fahrgäste ist das der Fall. Problematisch ist das neue Prinzip nur für Fahrgäste, die punktgenau an einem der Innenstadt-Bahnhöfe zusteigen und morgens in den Außenbereich fahren. Zum Beispiel gibt es viele Pendler zu den großen Unternehmen im Osten Münchens, zur Allianz Deutschland in Unterföhring etwa. Diese Fahrgäste müssen in Zukunft damit rechnen, dass ihr Zug zwei Minuten früher abfährt als gewohnt. Der Test ist auf eine Woche begrenzt. Danach will S-Bahn-Chef Büttner Bilanz ziehen. „Falls er erfolgreich verläuft, wäre das auch ein Thema für die Abend-Hauptverkehrszeit“, sagt er. Dann wären freilich alle Pendler betroffen, die abends in den Außenbereich fahren, die Zahl der Betroffenen also um einiges größer.
Falls sich herausstellt, dass der Versuch misslingt, kann der Test aber auch vorzeitig abgebrochen werden. DIRK WALTER