München – Wer am Sonntag in der Wahlkabine sein Kreuzchen setzt, wird feststellen, dass es dabei nicht nur um die Zusammensetzung des Landtags geht. Mit in die Urne kommen zwei weitere Zettel – mit Erst- und Zweitstimme zur Wahl der bayerischen Bezirkstage. Diese Regionalparlamente führen bisweilen ein Schattendasein. Dabei entscheiden die gewählten Mitglieder über viel Geld.
„Die Bezirke sind fast unbekannte Wesen“, sagt der Sprecher des Bayerischen Bezirketags, Ulrich Lechleitner. Auch, weil sie sich vorrangig mit Themen befassen, die viele lieber ausblenden, solange sie nicht selbst betroffen sind. Themen wie Psychiatrie, Behinderung, Pflege im Alter. Nimmt man die Heimatpflege noch hinzu, sind das die wesentlichen Felder, die die Mitglieder der sieben bayerischen Bezirkstage beackern.
Immer wieder müssen sie sich dabei die Frage anhören: „Was macht ihr eigentlich?“ Die Münchner Bezirksrätin Petra Tuttas von den Grünen antwortet dann meist mit zwei praktischen Beispielen: „Unter dem Begriff Bezirkskrankenhaus Haar können sich die meisten Münchner noch etwas vorstellen. Und außerhalb kennen viele das Freilichtmuseum Glentleiten.“ Beide Einrichtungen des Bezirks verdeutlichen die Funktion als Träger von über 40 Kliniken und als wichtige Instanz bei der Heimatbildung – ohne dass der Bürger viel davon mitbekommt.
„Wir sind letztlich die leisen, stillen Politiker“, sagt auch die CSU-Abgeordnete Birgit Hainz. Das kann die Arbeit auch einfacher machen. „Vielleicht ist es ganz gut, dass wir mehr sachbezogen arbeiten können, weil der Druck von außen weniger ist.“ Die Ausschüsse tagen meist nichtöffentlich. Heißt: Weniger Parteipolitik, mehr inhaltliche Arbeit.
Das hat auch Martina Wenta so erlebt. Sie hat von einer Besonderheit des Bezirkstags profitiert: In dem Regionalparlament gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. So ist sie für die Piratenpartei eingezogen. „Anfangs haben die Kollegen schon etwas zurückhaltend reagiert.“ Aber im Verlauf der Legislaturperiode hätten auch die Mitglieder der etablierten Parteien erkannt, dass sie an Sachpolitik interessiert sei. „Dann ist alles viel kooperativer geworden.“ Für die kommende Legislaturperiode kandidiert Wenta nicht mehr für die Piraten, sondern für die neu gegründete Freie Liste Oberbayern, auf der sich eine Reihe von parteilosen Kommunalpolitikern versammelt haben.
Die Bezirkstage sind eine kommunalpolitische Spezialität Bayerns. In keinem anderen Bundesland gibt es sie in dieser Form: vom Volk gewählte Gremien, die Entscheidungsbefugnis über ganz wesentliche Aufgaben haben – Aufgaben, die für viele Städte allein nicht finanzierbar wären. 5,5 Milliarden Euro standen den Bezirken in diesem Jahr zur Verfügung. Das Geld stammt vor allem aus den jährlichen Umlagen von den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie aus dem kommunalen Finanzausgleich. Allein in ihren Verwaltungen beschäftigen die Bezirke etwa 2800 Menschen. Dazu kommen 1500 Beschäftigte in kommunalen Einrichtungen und Eigenbetrieben wie etwa Schulen sowie 23 000 Beschäftigte in den psychiatrischen Krankenhäusern und Heimen.
180 Mandate werden für die sieben Bezirkstage vergeben, in jedem Bezirk werden genauso viele Bezirksräte gewählt wie Landtagsabgeordnete – in Oberbayern also 61. Der oberbayerische Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) ist gleichzeitig Präsident der sieben bayerischen Bezirke und will das auch für eine weitere Legislaturperiode bleiben. In den Bezirkstagen von Schwaben und Oberfranken wird es nach der Wahl hingegen neue Präsidenten geben.
Die Ergebnisse fallen in der Regel ähnlich aus wie bei der Landtagswahl – was bedeutet, dass auch in den Bezirkstagen mit dem Einzug der AfD eine große Veränderung ansteht. Wie sehr sich die Mehrheiten in den „Sozialparlamenten“, wie Präsident Mederer sie getauft hat, ändern, wird wohl erst am Dienstag nach der Wahl feststehen. Die Auszählung der Landtagswahl hat Vorrang. Die Bezirkstage stehen auch hier im Schatten des großen Bruders im Maximilianeum.