Mission Fünf Prozent

„Auch Fleischesser dürfen uns wählen“

von Redaktion

Von Tobias Gmach

München – Für Demut steht die V-Partei³ definitiv nicht. Ihre Homepage begrüßt den Internet-Nutzer mit einem Blick in den Plenarsaal des Berliner Reichstags. Alle Sitze sind im Hellgrün des Bündnisses für „Veränderung, Vegetarier und Veganer“ gehalten. Mit den 0,2 Prozent bei der Bundestagswahl harmoniert diese Utopie noch nicht ganz. Wie sollen es bei so einer kleinen Zielgruppe in Bayern mehr Stimmen werden? Dieser und anderen Fragen stellt sich die oberbayerische Spitzenkandidatin Christine Rustler. Die 41-Jährige ist Geschichtslehrerin an einem Münchner Gymnasium.

-Frau Rustler, was haben Sie heute zu Mittag gegessen?

(Lacht) Ich hab’ mir selbst einen Flammkuchen gemacht. Mit Gemüse und ein bisschen Tofu. Alles bio natürlich.

-Sie fordern eine Abkehr von sämtlichen Tierprodukten. Das muss eine Spitzenkandidatin dann im Alltag vorleben, oder?

Ja, ich habe einen hohen Anspruch an mich selbst. Ich weiß, dass ich für viele in der Partei ein Vorbild bin. Das gilt nicht nur für die Ernährung. Ich kaufe auch nur ökologische Kleidung und schaue zum Beispiel, dass kein Leder enthalten ist. Und das Auto nehme ich nur im Notfall.

-Nehmen Sie auch die Stimmen der Menschen, die Fleisch essen?

Natürlich. Ich habe es selbst bis zu meinem Teenageralter getan. Es ist die Lebenswirklichkeit, dass die meisten Leute noch Fleisch essen. Ich sage noch, weil ich die Hoffnung habe, dass sich ein Bewusstsein entwickelt. Wir wollen nicht mit Zeigefinger und Moralkeule auftreten, sondern begeistern und inspirieren. Natürlich sind wir sehr konsequent. Das heißt aber nicht, dass wir das von allen Menschen, die sich für uns interessieren, erwarten. Wir sind froh, wenn wir Leute überhaupt erreichen und zum Nachdenken bringen.

– Wie radikal darf man anderen vorschreiben, was sie essen sollen?

Wenn man Menschen etwas vorschreibt, bringt man Widerwillen hervor. Das ist immer der falsche Ansatz. Wir wollen Alternativen erarbeiten, wie die Politik lenkend eingreifen kann – zum Beispiel durch eine andere Verteilung von Subventionen. Natürlich wollen wir langfristig einen Umstieg auf eine biovegane Landwirtschaft. Aber das kann – zum Beispiel bei kleinen Betrieben – nur nach und nach gehen.

-Welche Alternativen haben Landwirte, die umsteigen wollen?

Ich habe zuletzt mit einem Bauern gesprochen, der die konventionelle Tierhaltung Stück für Stück aufgegeben hat. Es hat ihn auf Dauer nicht mehr erfüllt, seine Tiere immer wieder zu schlachten. Man baut ja auch ein Verhältnis zu ihnen auf. Mittlerweile baut er Hafer an, um daraus Hafermilch zu machen. Sojamilch gibt es ja auch als Alternative. Man müsste aber die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte senken.

-Und was würden Sie dann stärker besteuern?

Ich finde es absurd, wie billig das eingeschweißte Fleisch in Supermarktketten angeboten wird. Das wird der Würde und dem Leid der Tiere nicht gerecht – abgesehen davon ist es nicht gesund, wenn man es in Massen isst. In unserer Überflussgesellschaft gibt es keine Rechtfertigung, Tiere zu essen. Man kann sich auch so ausgewogen ernähren.

-Vegan ist gleich gut, stimmt aber auch nicht. Klären Sie auch über weite Transportwege und den hohen Wasserverbrauch auf, den manche Produkte beanspruchen?

Natürlich, wir sehen uns als Umweltschutzpartei und machen uns auch für ein besseres öffentliches Verkehrsnetz stark. Viele Veganer essen große Mengen an Avocados, die einen unwahrscheinlichen Wasserverbrauch haben und Kleinbauern die Existenz ruinieren können. Wir sind keine Ernährungsberater, klären aber darüber auf, dass man als Verbraucher eine gewisse Macht hat. Wenn sich jemand vegetarisch ernährt, aber im Frühsommer Äpfel aus Argentinien kauft, passt das nicht.

-Werden Sie trotzdem als Ein-Thema- oder reine Tierschutzpartei wahrgenommen? Schreckt so ein enger Fokus nicht viele ab?

Wir müssen noch mehr an unserer Außenwirkung arbeiten. Wir haben den Veganismus im Namen stehen, dadurch wird man auf uns aufmerksam. Im ersten Moment weist das auf nur ein Thema hin: Essen. Aber dass es viele Auswirkungen in ganz unterschiedlichen Bereichen hat, versteht nicht jeder gleich.

-Es gibt schon eine Tierschutzpartei, und es gibt die Grünen, die sich für viele Ihrer Ziele einsetzen. Wie soll sich politisch wirklich etwas ändern, wenn Sie zu einer weiteren Zersplitterung beitragen?

Zersplitterung ist mir zu negativ besetzt, ich rede lieber vom Meinungspluralismus. Natürlich könnten wir alle bei den Grünen eintreten. Aber da passen uns mehrere Punkte nicht, wir würden gegen Windmühlen kämpfen. Die Aufgabe der Parteien ist nicht nur die parlamentarische Entfaltung, sondern auch die öffentliche Diskussion. Wir können Demonstrationen und Vorträge organisieren und Wahlwerbung machen. Und vielleicht stacheln wir andere Parteien an. Wenn die Grünen sehen, dass sie Konkurrenz bekommen, nehmen sie durch unseren Einfluss vielleicht den einen oder anderen Punkt mit auf. Auch dann ist schon was gewonnen.

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