Poing – Die Mitarbeiter im Wildpark Poing im Kreis Ebersberg sind noch nicht wieder zur Tagesordnung übergegangen. Am Donnerstag wurde dort bei einem toten Bartkauz das West-Nil-Virus nachgewiesen. Der dritte Fall in Deutschland, der erste in Bayern. „Wir gehen zwar davon aus, dass es sich bei unserem Bartkauz um einen Einzelfall handelt“, betonte die Tierärztin Sandra Klimm gestern. Dennoch sollen nun gezielt Mücken in dem Tierpark untersucht werden. Durch sie wird das Virus übertragen – auf Vögel, wie in dem aktuellen Fall, aber auch auf Menschen oder Pferde wäre eine Übertragung möglich. Alle gefundenen toten Wildvögel sollen zudem auf das Virus untersucht werden, kündigte Klimm an.
Bislang ist in Deutschland keine Ansteckung von Menschen oder Pferden mit dem Virus bekannt. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass es noch keine gegeben hat. Denn: Das Virus ist nicht gefährlich. „In 80 Prozent der Fälle gibt es bei einer Infektion nicht einmal Symptome“, betont der Münchner Tropenmediziner Markus Frühwein. „Bei den restlichen 20 Prozent gibt es grippeähnliche Erscheinungen.“ Für alle Menschen, die keine Vorerkrankungen haben oder deren Immunsystem nicht schwach ist, bestehe keine Gefahr. Die Erkrankung ende selten tödlich.
In Süd- und Südosteuropa gibt es in dieser Saison eine besonders heftige Infektionswelle. In Griechenland haben sich in diesem Jahr bereits deutlich mehr Menschen infiziert als in Deutschland. 180 Fälle sind bekannt, 22 Menschen starben. „Die meisten Betroffenen, die an einer Hirnhautentzündung sterben, haben Vorerkrankungen“, erklärt der Tropenmediziner. „Für sie wäre auch eine gewöhnliche Grippe gefährlich.“
Das Virus wurde erstmals 1937 bei einer Frau in der Provinz West-Nile bei Uganda nachgewiesen. In den 1990er-Jahren ist es durch Wildvögel in die USA gelangt, etwas später auch nach Europa. Frühwein geht jedoch nicht davon aus, dass sich in Deutschland die Fälle häufen werden. „Da müssten viele Zufälle zusammenkommen“, sagt er. Es gibt zwar auch hier die passenden Mückenarten, die das Virus übertragen. Allerdings sind die klimatischen Bedingungen nicht optimal, es ist zu kühl.
Infektionen durch eine Blutübertragung seien sehr selten, erklärt er. Dennoch hält Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin es für sinnvoll, dass potenzielle Blutspender künftig auf das Virus getestet werden. Bisher ist das nicht der Fall. Er rät auch dazu, dass sich die Mitarbeiter des Wildparks Poing untersuchen lassen.
Sollte jemand feststellen, dass er an dem Virus erkrankt ist, bleibt den Ärzten nichts anders übrig, als die Symptome wie bei einer Grippe zu behandeln. Ein Impfstoff gegen das West-Nil-Fieber gibt es bislang nicht, berichtet er. „Sie sind noch in der Entwicklung.“ Allerdings baue der Mensch bei einer Infektion Antikörper gegen das Virus auf. Eine Infektion ist also selten – eine Mehrfach-Infektion so gut wie unmöglich. „Grund zur Sorge gibt es wirklich nicht“, betont Frühwein und ergänzt: „Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer gewöhnlichen Grippe und der Infektion mit dem West-Nil-Virus, würde ich mich wohl für das Virus entscheiden.“ (mit lby)