München – Seine ersten drei Monate im Amt hat Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle vor allem mit Reden und Reisen verbracht. Der CSU-Politiker und ehemalige Kultusminister besucht die jüdischen Gemeinden im Freistaat, auch in Israel war er schon. Spaenle lotet aus, was er in seiner neu geschaffenen Position anpacken kann. „Ich hatte mir das nicht so vorgestellt“, sagte er anlässlich seiner 100-Tage-Bilanz über die „Fülle von Aufgaben“, die sich ihm stelle.
Erledigt ist davon noch wenig, aber vieles sei „auf dem Weg der Etablierung“, so formuliert er es. Darunter sein dringendstes Projekt, eine zentrale Meldestelle für antisemitische Vorfälle, auch solche, die unter der Strafbarkeitsgrenze rangieren. „Wir dürfen nicht peinlich berührt wegschauen, wenn zum Beispiel ein jüdischer Schüler auf dem Pausenhof angegangen wird“, so Spaenle. Drei Experten-Stellen, bezahlt vom Sozialministerium und angesiedelt beim Bayerischen Jugendring, will er für die Meldestelle im Herbst ausschreiben.
Anlass ist auch die wachsende Zahl antisemitischer Straftaten, von denen deutschlandweit im ersten Halbjahr 401 registriert wurden – zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bayern liegt bei der Zahl der Vorfälle mit 43 Stück auf Platz zwei hinter Berlin mit 80 Fällen. Dem Phänomen religiös motivierter Judenfeindlichkeit durch Muslime, das insbesondere seit der verstärkten Zuwanderung 2015 deutlich zugenommen habe, will Spaenle unter anderem mit neuen Akzenten in der Lehrerbildung vorbeugen.
Nicht nur mit Antisemitismus beschäftigt sich der „Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungskultur und geschichtliches Erbe“, so sein offizieller Titel. Spaenle plant ein Bayerisch-Israelisches Jugendwerk für Austausch und Begegnung. Außerdem will er jüdische Gemeindechroniken aus ganz Bayern, die die Nazizeit überdauert haben, digitalisieren lassen – und so die Verbreitung und Geschichte jüdischen Lebens in Bayern besser dokumentieren.
Teil von Spaenles „Zehn-Punkte-Plan“ ist zudem ein ständiger Runder Tisch zum Thema Antisemitismus sowie eine Vortragsreihe an der Ludwig-Maximilians-Universität München zu jüdischem Leben. Josef Ametsbichler