Hauptalmbegehung mit Polit-Prominenz

Söder und der böse Wolf

von Redaktion

Von Dominik Göttler

Schliersee – Einige Schweißperlen sind schon vergossen, als die Spitze der rund 900 im Gleichschritt marschierenden Wanderer das Gipfelkreuz der Baumgartenschneid erreicht. Aber der schweißtreibende Aufstieg von Schliersee aus hat sich gelohnt, von den 1448 Metern bietet sich ohne Vorwarnung plötzlich der perfekte Blick über den blau schimmernden Tegernsee und das umliegende Tal. „Mia ham’s scho schee bei uns“, sagt Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner über ihren Wahlkreis, und wischt sich die Stirn trocken ohne die Wanderstöcke aus der Hand zu legen.

Ein Satz, der noch sehr oft fallen wird an diesem Tag. Einmal im Jahr treffen sich Almbauern, Mitarbeiter und Freunde der Almwirtschaft zur großen gemeinsamen Wanderung. Bei der Hauptalmbegehung wird mit Stolz die Schönheit der Almen auf dem Weg präsentiert. Genauso kommen aber die Probleme der Zunft zur Sprache. Damit die Wünsche für eine bessere Zukunft nicht ohne Wirkung zwischen den Gipfeln verhallen, lädt der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern diejenigen ein, die auf diese Zukunft Einfluss nehmen können: die Politiker. Und weil es bis zur Landtagswahl nicht mehr weit ist, will sich kaum ein Volksvertreter nachsagen lassen, er würde die wichtige Wählerschaft aus der Landwirtschaft vernachlässigen.

So hat gestern nicht nur beinahe das halbe Kabinett demonstrativ die Wanderschuhe geschnürt, es mischten sich auch zahlreiche Oppositions-Politiker von den Grünen bis zur AfD unter die Teilnehmer. Sie alle bekamen ein Thema besonders oft zu hören. Wie schon in den vergangenen Jahren treibt die Almbauern vor allem ein haariger Kollege um: der Wolf. „Ich weiß, dass man mit dem Wolf keine Stimmen fangen kann“, sagt der oberbayerische Almbauern-Chef Georg Mair. „Aber Wolf und Weidewirtschaft, das passt einfach nicht zusammen.“ Er wiederholt seinen Wunsch nach einer wolfsfreien Zone für den bayerischen Alpenraum. So ganz kann ihm Umweltminister Marcel Huber (CSU) das nicht zusichern, aber er verweist auf den „Aktionsplan Wolf“, der gerade erarbeitet wird und demnächst mit den Verbänden abgesprochen werden soll. Demnach darf ein Wolf künftig geschossen werden, wenn er auf einer Alm Tiere reißt, auf der Prävention durch Zäune oder Herdenschutzhunde nicht möglich ist. Wo so eine Prävention möglich ist, soll eine Kommission entscheiden. Dies sei immerhin ein Schritt nach vorne, sagt Mair.

Und so erntet Huber auch artigen Applaus – nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass seiner Vorgängerin Ulrike Scharf auf der Alm auch schon kräftige Buh-Rufe entgegenschallten. Auf dem Weg von der unerschlossenen Baumgartenalm zur bewirtschafteten Kreuzbergalm stößt schließlich der prominenteste Gast des Tages zur Wandergruppe. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lässt die Gelegenheit für ein symbolträchtiges Foto am Kreuz vor der Kreuzbergalm natürlich nicht aus, dann hat auch er warme Worte für die Almbauern: „Die Alm ist bisher auch ohne Wolf ausgekommen“, sagt er. Und mit Blick auf den Schutzstatus des Raubtieres sagt er nur: „Es gibt rechtliche Bestimmungen und es gibt die praktische Realität. Wir wollen einen pragmatischen Weg suchen.“

Der Applaus hält sich in Grenzen, was aber auch daran liegen mag, dass die meisten Teilnehmer in der sengenden Mittagshitze gerade für ein kühles Radler anstehen.

Nicht jeder Minister tut sich die gesamte Tagestour an. Manche gehen früher (Huber, Aigner), andere kommen später (Kaniber) – oder beides (Söder). Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) betont bei der letzten Station auf der Gindlalm, dass allein für die bayerischen Weiden 122 000 Kilometer wolfssicherer Zaun nötig wären. „Niemand bei Verstand kann das gutheißen.“

Sie sprach aber noch ein weiteres Thema an, das die Bergbauern seit Längerem umtreibt: den Freizeitdruck. Immer mehr E-Biker preschen in den bayerischen Alpen im Eiltempo – und manchmal sogar querfeldein – in Richtung Gipfel. Wer kann es ihnen verdenken, bei dem spektakulären Ausblick, der sich etwa auf der Baumgartenschneid bietet? Aber Georg Mair mahnt eindringlich: „Der Respekt vor der Natur und den Menschen, die hier arbeiten, muss schon erhalten bleiben.“

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