„Der Duliöh-Komplex löst in etwa folgendes aus: Schuhplattler, Jodeln, Sennerin, Bua, Berg, ungeheuer viel Bier, König Ludwig II., und weiter noch jene sentimentale Romantik, die auf schlechten Bauerntheater-Bühnen in fürchterlichen Stücken über die mehr oder minder wackeligen Bretter geht.“
Nun, wackelige Bretter kann man den Machern der derzeitigen Landesausstellung „Mythos Bayern. Wald, Gebirg und Königstraum“ im Kreis Garmisch-Partenkirchen nicht vorwerfen, aber doch viel von dem, was der oben zitierte Bühnenautor Joseph Maria Lutz bereits 1932 als „Klischee Oberbayern“ kritisierte.
Dieses Klischee ist Jahrhunderte alt, wurde von Heimatdichtern und Sommerfrischlern gepflegt – und auch von auswärtigen Autoren bereitwillig übernommen: „So also ist hier das Volk: Von einer dumpfen, stierhaften Gereiztheit, Streitlust und Rauflust, die zu der ohnehin bedeutenden Herzensrohheit, welche uns Deutsche leider auszeichnet, noch als bayerische Besonderheit hinzutritt. […] Die bayerische Bevölkerung zerfällt in zwei Teile, einen kleineren und einen weitaus größeren. Den ersten bilden die, welche von Beruf Metzger sind. Den zweiten jene, die nur so aussehen!“
Nun, so drastisch, wie sich der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896–1966) – verheiratet mit der Nichte Ludwig Thomas und bekannt geworden durch seinen Roman „Die Strudelhofstiege“ – ausdrückte, haben es nicht alle gesagt, aber gedacht haben es sich viele.
Dass sich die Bayern, speziell die Oberbayern, vor allem auszeichnen durch Kraftmeierei, Derbheit, Grobschlächtigkeit, Rückständigkeit und einer geistigen Beschränkung, die allenfalls durch eine gewisse Bauernschläue kaschiert werden kann. Nota bene: Doderer hat nicht aus der österreichischen Ferne geurteilt, sondern war zwei Jahre, von 1936 bis 1938, in Oberbayern ansässig.
Aber wäre doch gelacht, wenn wir ein so tief sitzendes Bild des kleinbürgerlich-ungebildeten Oberbayern nicht auch in der sogenannten Hochliteratur finden würden! Voilà, nicht lange gesucht! „In Berlin gibt es Witz und Ironie!“, poltert da der norddeutsche Tourist. „Hier in München gibt es nur gutes Weißbier, aber wahrhaft keine Ironie!“ „Ironie haben wir freilich nicht“, lässt der Autor Nannerl die schlanke Kellnerin etwas weinerlich erwidern, „aber jedes andere Bier können Sie doch bei uns haben!“
Haben Sie den Satiriker erraten? Heinrich Heine, 1828 in seiner „Reise von München nach Genua“. Bauerntheater her, Landesausstellung hin – wir Oberbayern täten gut daran, nicht auch selbst noch an der Klischee-Schraube zu drehen, auch wenn sie sich noch so gut verkauft.
Da loben wir uns doch eine mahnende Gegenstimme aus eigenem Lager, der uns Einheimische zum maßvollen Umgang mit unserer eigenen Tradition mahnt, nämlich die des bereits eingangs zitierten Joseph Maria Lutz: „Überlade deinen Hut nicht mit allen Vereinszeichen, die in deinem und deiner weit verzweigten Familie Besitz sind, es wirkt kraftmeierisch und übertrieben, genauso wie zu reichlicher und zu kühner Federschmuck, du bist schließlich kein Indianer auf bayerischem Kriegspfad. Einer meiner Bekannten nennt einen so überladenen Hut treffend einen Goaß-Gockl-Bart-Gamsfedern-Huat!“