POSSE kommt vor gericht

Happiges Bußgeld für eine Zwei-Mann-Versammlung

von Redaktion

Dorfen – Der Dorfener SPD-Stadtrat Heiner Müller-Ermann ist demonstrations-erprobt. Als einer der Wortführer im Kampf gegen die Autobahn A 94 durch das früher unberührte Isental war er auf unzähligen Kundgebungen, viele davon hat er selbst organisiert. Jetzt allerdings wird sich der 69-Jährige vor dem Amtsgericht Erding, Abteilung Strafsache, verantworten müssen – wegen einer nicht angemeldeten Zwei-Mann-Demo, deren juristische Einordnung als „politische Versammlung“ zumindest diskussionswürdig erscheint.

Und das kam so: Als Anfang Mai in Dorfen die AfD in einer Gaststätte zusammenkam, demonstrierte draußen die Spaßtruppe „Die Partei“. Drinnen zeigten AfD-Gegner dem Landeschef Martin Sichert rote Karten. Heiner Müller-Ermann wollte weder das eine noch das andere. „Aber ich wollte auch nicht zu Hause in den Garten schauen“, sagt er. Also zimmerte er sich ein Plakat mit der Parole „Auch damals dachten viele: So schlimm wird’s schon nicht werden.“ Dann ging er ins Dorfener Zentrum – aber nicht direkt zur AfD. Den Rat, sich mit seinem Plakat ein Stück von der Gaststätte weg neben die Sparkasse zu stellen, habe er von Polizisten bekommen, sagt Müller-Ermann.

Nach eigener Darstellung war er bereits mehrmals mit Passanten ins Gespräch gekommen, als nach etwa einer halben Stunde – der Dorfener schwatzte gerade mit einem SPD-Parteifreund – drei Polizisten auf ihn zukamen und ihm eröffneten, dass er hier eine unangemeldete Versammlung abhalte.

Eine Versammlung mit zwei Mann? In der Tat definiert Artikel 2, Absatz 1 des Bayerischen Versammlungsgesetzes: „Eine Versammlung ist eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“

Den Gesetzestext zieht auch Müller-Ermann nicht in Zweifel. Er sagt aber, im Vordergrund müsse die „freie Meinungsäußerung“ stehen. Eine Versammlung habe er nicht beabsichtigt.

Die Zwei-Mann-Kundgebung wäre vielleicht dennoch folgenlos geblieben, wenn nicht der Leiter des Sachgebiets Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt Erding sich treu an die Buchstaben des Gesetzes gehalten hätte. Er brummte Müller-Ermann ein Bußgeld von 225 Euro auf, verhängte zudem eine Gebühr von 25 Euro und vergaß auch Auslagen von 3,50 Euro nicht – unterm Strich also 253,50 Euro. Eine „Spontanversammlung“ liege nicht vor, erklärte der Beamte. Außerdem sei Müller-Ermann sozusagen Wiederholungstäter – schon 2014 hatte ihn das Landratsamt über das Versammlungsrecht belehrt, damals aber ohne Bußgeldbescheid.

Müller-Ermann hat dem Landratsamt eine süffisante Antwort geschickt und auf die BR-Serie „Löwengrube“ mit „besonders interessanten Folgen aus der Zeit der Weimarer Republik“ hingewiesen – was der Beamte als „völlig unsachlich“ zurückwies. Müller-Ermann zeige „keinerlei Einsicht“.

Wohl wahr: Nachdem der Dorfener die Zahlung standhaft verweigert, kommt es bald zum Prozess, wie das Amtsgericht ihm nun mitteilte. Dabei hat Müller-Ermann, wie er selbst sagt, schlechte Karten. „Der Einspruch dürfte nach derzeitiger Sachlage ohne Erfolgsaussicht sein“, schrieb das Gericht. „Zur Vermeidung weiterer Kosten wird daher die Rücknahme des Einspruchs empfohlen.“

dirk walter

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