Trostberg/München – Als Markus Fröschl durch die Glastür in den Plenarsaal des Landtags spaziert, versperrt ihm ein Saaldiener den Weg. Warum der Besucherausweis nicht ordnungsgemäß um seinen Hals hängt? Für einen Moment schaut Fröschl im grauen Trachtenjanker und dem grün-weißen Karohemd wie ein ertappter Schulbub aus der Wäsche. „Aber ich sitze ja da“, sagt er und deutet auf einen rot gepolsterten Abgeordnetensessel in der letzten Reihe. Jetzt, da der Saaldiener erkannt hat, dass er einen Abgeordneten vor sich hat, ist er der Ertappte: „Ach, Sie sind der Fröschl“, sagt er, und macht diesem mit einem entschuldigenden Klaps auf die Schulter den Weg ins bayerische Parlament frei.
Dort ist der 52-jährige Landwirt aus Trostberg (Kreis Traunstein) Hinterbänkler ganz außen und politisches Nesthäkchen. Ein Gesicht, das man kennt, aber leicht den Namen dazu vergisst. Weil sein CSU-Parteivorsitzender Horst Seehofer nach dem Amt als Ministerpräsident auch seinen Sitz im Landtag räumte, erbte Fröschl, der auf der Nachrückerliste ganz oben stand, Anfang Mai das Mandat. Obwohl er daheim auch im Stadtrat und im Kreistag sitzt: Wie ein Ministerpräsidenten-Nachfolger kommt er sich trotz seiner politischen Erfahrung nicht vor, eher wie besagter Schulbub: „Das ist, wie wenn du unterm Jahr in eine neue Klasse kommst.“
Und dann hat er auch noch den Wahlkampf, quasi die Prüfungszeit, erwischt: „Es kracht und scheppert in allen Reden“, stellt Fröschl fest, während er an den zahllosen hölzernen Bürotüren vorbei durch die weiß getünchten, teppichbedeckten Hallen des Parlaments spaziert. Dort wurlt es in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause wie in einem Ameisenhaufen.
An Fröschl eilen die meisten Anzugträger aber vorbei. Denn der Neu-Parlamentarier ist nach der Landtagswahl am 14. Oktober höchstwahrscheinlich schon wieder ein Ex-Parlamentarier. Der 52-Jährige steht zwar auf Platz 16 der Oberbayern-Liste der CSU, und wenn man die erfolgsverwöhnten Direktkandidaten herausrechnet sogar faktisch auf Platz vier – doch dass es auch nur ein oberbayerischer Listenkandidat in den Landtag schafft, glauben ob der aktuellen Umfragen nicht einmal die Optimistischsten unter den Christsozialen.
Fünfeinhalb Monate wird Fröschls Amtszeit also vermutlich dauern. Das reicht nicht, um anzuecken. „Ich bin für keinen eine Gefahr“, sagt er und lacht. „Du brauchst dich wenigstens nicht zu stressen“, sagt ein Fraktionskollege nach einem kurzen Ratsch, schüttelt ihm die Hand und hastet davon. Dabei absolviert der Landtagsneuling an Sitzungstagen eine volle Tagesordnung. Wenn er um fünf Uhr morgens daheim in Trostberg aus dem Bett steigt, stapft er erst in seinen Schweinestall, wo 500 Tiere versorgt werden wollen. Erst dann tauscht er Gummistiefel gegen Anzugschuhe, streift die Träger an seiner Nadelstreifenhose über die Schultern, setzt sich ins Auto und fährt die gut anderthalb Stunden zum Regieren in die Landeshauptstadt.
„Wegen ein paar Monaten schmeiße ich nicht alles um“, erklärt Fröschl. Auf eine Wohnung in München verzichtet er, genau wie auf einen Mitarbeiterstab, und bleibt bei seiner Landwirtschaft. Trotzdem, seine 8022 Euro Monatsbrutto als Abgeordneter will sich der Vater von drei Kindern verdienen. „Ich mache das mit Respekt und so gut ich kann“, sagt er.
In zwei Ausschüsse haben ihn die Fraktionsoberen gesetzt: Petitionen und Soziales. Und so kümmert er sich mal um eine Bürgereingabe für eine neue Ampel in Garmisch-Partenkirchen, mal um eine zum Denkmalschutz im Landkreis Traunstein. Für die ganz großen Ansagen fehlt dem Neuling das politische Gewicht, das sieht er realistisch. „Vorne sitzen zwei, die anschaffen – und dazu gibt es ein paar Zuchtmeister, die schauen, dass der Haufen nachläuft“, sagt er über die Ausschussarbeit. „Genau, wie ich es mir vorgestellt habe.“
Inzwischen sitzt Markus Fröschl bei einem alkoholfreien Bier auf der überdachten Terrasse der Landtagsgaststätte und macht Mittag. „Das ist aber schon Fleisch, nicht Tofu mit Sauschwanzerl?“, fragt er die Kellnerin augenzwinkernd über die Bio-Currywurst aus. Dann wird seine Miene ernst. Auch wenn er im Landtag nur ein Mitläufer sein kann, leistet er sich eine eigene Meinung. Manches, was die Großkopferten in der CSU so treiben, bereitet ihm sichtlich Bauchschmerzen. Bei der Bundestagswahl habe seine Partei „zurecht eine Watschn kassiert“. Sie laufe Gefahr, beliebig zu werden, fürchtet Fröschl und zitiert den Partei-Übervater Franz Josef Strauß: „Everybody’s darling is everybody’s Depp.“
Nun hofft er, dass es die Partei hinkriegt, bei der Landtagswahl mit klareren Positionen besser abzuschneiden. Selber wird er aber nicht durch die Bierzelte tingeln, um mit Zähnen, Klauen und Gebrüll um sein Mandat zu kämpfen. Kraftmeierei ist eh nicht sein Stil. „Ich gehe nur dahin, wo ich eingeladen bin“, sagt er. „Mein Lebensalltag ist mein Wahlkampf.“ Dann bestellt er sich noch einen Kaffee. Die Büroarbeit macht ihn, der Landluft gewohnt ist, müde. Während er mit Blick auf die Turmhauben der Frauenkirche in seiner Tasse rührt, steuert Markus Fröschl, Landwirt und Kurzzeit-MdL, gelassen seiner Wahlniederlage entgegen.