Ottobrunn – Alles begann gegen 20 Uhr mit einem Streit zwischen zwei Flüchtlingen und zwei Betreuerinnen in einem Jugendhaus an der Rosenheimer Landstraße in Ottobrunn (Kreis München). Merhawi J. und sein 17-jähriger äthiopischer Freund wollten offenbar in einem Koffer alkoholische Getränke in das Haus schmuggeln, in dem sie gemeldet sind. Die Betreuerinnen verwiesen auf das Alkoholverbot. Das passte dem 20-Jährigen aus Eritrea offenbar nicht. Er schlug laut Polizei mit der Faust auf die Frauen ein. Sie erlitten Verletzungen am Kopf. Als sie die Polizei verständigten, liefen die beiden jungen Männer davon.
Völlig unabhängig davon wurde der Notarzt zu einem nahegelegenen Altenwohnheim gerufen. Gerade, als der Rettungssanitäter (38) und die Notärztin (46) das Notarzteinsatzfahrzeug der Berufsfeuerwehr vor dem Altenwohnheim parkten, kamen die beiden Flüchtlinge daran vorbei. Merhawi J. schleuderte urplötzlich eine volle Whiskyflasche aus etwa eineinhalb Metern Entfernung gegen das Beifahrerfenster. Die Flasche durchschlug die Scheibe und traf die Notärztin mitten im Gesicht. Die 46-Jährige wurde mit einem Schädel-Hirn-Trauma, Kieferbruch, mehreren ausgeschlagenen Zähnen und Schnittverletzungen in eine Klinik eingeliefert. Der Rettungssanitäter wurde von herumfliegenden Glassplittern am Auge getroffen. Nach der Tat flüchteten die beiden, die Polizei nahm sie kurze Zeit später fest.
Bei der Notärztin habe es sich um eine langjährige Mitarbeiterin gehandelt, die auch Erfahrung mit aufgeheizten Situationen habe, sagte ein Feuerwehrsprecher. „Aber die Attacke kam aus dem Nichts.“ Sonst könne man bei einem Einsatz die Gemütslage seines Gegenübers einschätzen. Man merke, wenn sich die Fronten verhärten. „Aber in diesem Fall gab es ja keinen Bezug zu den vorherigen Geschehnissen.“
Merhawi J. sitzt inzwischen in U-Haft. Er trat bereits mehrfach wegen Körperverletzungen in Erscheinung. Er soll nach Informationen unserer Zeitung im Oktober 2015 eingereist sein und im Juni 2016 Asyl bekommen haben. Sein Freund, der 17-jährige Äthiopier, wurde wieder entlassen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann forderte harte Strafen für den 20-jährigen Angreifer: „In unserem Land Schutz und Sicherheit zu suchen und gleichzeitig in einem Anfall blinder Aggression unsere Rettungskräfte anzugreifen, geht gar nicht.“ Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werde man eine möglichst rasche Abschiebung prüfen. Herrmann verwies auf eine Strafverschärfung 2017, die bis zu fünf Jahren Haft für derartige Fälle vorsieht. „Harte Strafen sind aufgrund der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zahlen der Angriffe auf Rettungskräfte dringend notwendig“, betonte der Minister. Man brauche für die Täter einen klaren Denkzettel und auch eine höchstmögliche Abschreckung vor zukünftigen Taten. Laut Herrmann ist die Zahl der Übergriffe auf Einsatzkräfte der Rettungsdienste in der Kriminalstatistik von 130 Fällen in 2011 auf 228 im Jahr 2016 gestiegen. Die Auswertung für 2017 liege noch nicht vor.
Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer zeigte sich erschüttert über die Tat: „Das ist verabscheuungswürdig. Ich hoffe, dass der Täter bestraft wird.“