Andreas Franzl, 58, Edelbrandsommelier und weltweit einer von acht „Masters of Spirits“, sitzt in einem umgebauten Kuhstall und lächelt zufrieden. Vor ihm im Verkostungsraum steht der Weltmeisterpokal für die „Distillery of the Year“, daneben liegen Urkunden und Goldmedaillen für Produkte aus seiner Hofbrennerei. Franzl aus dem Dorfener Weiler Oberkorb am östlichsten Zipfel des Landkreises Erding ist Brenner. Genauer gesagt, einer der besten Brenner der Welt.
„Beim World Spirits Award reichen über 100 Betriebe aus 34 Ländern knapp 500 Produktproben ein“, sagt Franzl. In drei Kategorien prämieren sie die Besten der Besten: 100-Prozent-Destillate – diese Kategorie stellt den Gesamtsieger – , Geiste und Spirituosen wie zum Beispiel Gin, sowie Bitter und Liköre. „Wir wurden als einziger Betrieb heuer mit zwei ersten Preisen ausgezeichnet“, sagt er nicht ohne Stolz: „Distillery of the Year“ und „Spirit of the Year“ für seinen Quittenbrand mit Doppelgold. Daneben gab es Goldmedaillen für Waldholunder, Schwarze Johannisbeere, Zwetschge Grand Reserve und Baies Noires, das ist ein Beerenschnaps.
Seit dem 15. Jahrhundert lebt die Familie Franzl in Oberkorb. „Der Stammbaum geht über zehn Generationen zurück“, erzählt der 58-Jährige. „Wir haben bei uns hier immer schon viel Obst gehabt.“ Die Eltern haben es damals verkauft, mit geringem Ertrag. „Da haben sie zwei bis drei Tonnen gepflückt, da sind dann hundert Mark rausgekommen“, erinnert er sich.
Andreas Franzl ist gelernter Käser und hat Landwirtschaft studiert. Hauptberuflich arbeitet er heute in der landwirtschaftlichen Anwendungs- und Betriebsberatung. Schon während seines Studiums sei in ihm die Idee mit der Direktvermarktung gereift. „Ich konnte mich nie damit anfreunden, dass das Leben nur jammern und abliefern ist“, erinnert er sich. „Wertschöpfung muss auch anders möglich sein.“
Vor genau 25 Jahren begann er mit der Käseherstellung und dem Schnapsbrennen. Die Produkte verkaufte er erst auf dem Bauernmarkt im benachbarten Moosen (Gemeinde Taufkirchen). Daheim ließ er die Brennerei in den alten Stall einbauen.
Woran erkennt man einen guten Brenner? „Es sind einzelne Bausteine, wie etwa der Geschmack und das Auge“, sagt der 58-Jährige. „Über allem aber stehen die Philosophie und die Konsequenz: Wo willst du hin? Was willst du machen?“ Man müsse absolut konsequent sein bei der Auswahl der Zutaten und sie bis zum Destillieren sorgfältig behandeln.
Dann kommt das Destillieren. „Die Finalisierung“, wie es Franzl nennt. „Von dem, was du an Grundlagen gelegt hast, kannst du sehr viel kaputtmachen“, weiß er. „Du kannst nicht mehr nach oben arbeiten, sondern nur noch nach unten. Und da spielt dann die Nase eine Rolle. Du kannst wunderschöne Brände machen, die langweilig bleiben. Den richtigen Schnittpunkt gibt dir die Nase vor.“ Er hat im Laufe seiner Zeit als Edelbrenner festgestellt: „Geniale Produkte liegen zwischen Genie und Wahnsinn. Da kannst du auch mal einen Punkt überschreiten. Und das ist die Kunst des Destillierens: diesen Punkt zu finden.“
Das Brennen könne eigentlich jeder, behauptet der Weltmeister. „Die Konsequenz muss man sich selbst setzen, Erfahrung kann man sich erarbeiten, und die Nase ist Übung.“ Er sei eigentlich kein geduldiger Mensch, sagt Franzl. Geduldig zu sein sei immer wieder eine Herausforderung. Sei es, wenn der Zoll das Brennen überwacht: „Da ist dann auch mal über zwölf Stunden Anwesenheitspflicht.“ Oder sei es beim Ernten: „Wenn du beispielsweise bei toller Herbstsonne Ende September Vogelbeeren erntest und du weißt, du schaffst ungefähr hundert Kilo, dann ist das fast wie eine Meditation.“
Das Ernten der Vogelbeeren ist aber auch ein Wettlauf mit den Vögeln. Die hätten die Sträucher auch schon mal abgeräumt, nur weil er zu lange gewartet habe, sagt er. „Aber aus solchen Fehlern lernt man.“ Noch heftiger ist der Wettlauf beim Holler. Da geht es allerdings gegen die Natur. „Beim Wildholunder zum Beispiel reicht ein Tag Regen, und alles ist kaputt.“
Williamsbirne („Die wächst hier nicht gescheit“) oder Marille („Warum in die Wachau fahren?“) verarbeitet Franzl nicht: „Ich will das Obst jeden Tag sehen und ich weiß dann genau, wie weit es ist.“ 100 Kilo Frucht ergibt etwa ein Kilo Destillat. Er stellt zwar auch Produkte wie Himbeergeist oder Nusslikör her, sagt aber: „Der Geist ist ein beginnender Kompromiss, da gibt es eigentlich keine Reglementierungen.“ Und er betont: „Der reine Brand bildet die Natur zu hundert Prozent ab.“
Bei dem Thema verfinstert sich Franzls Miene. „Wir schaffen uns doch unsere Probleme selbst“, schimpft er. „Wenn wir die Natur so nehmen würden, wie sie ist, dann gäbe es so gut wie keine Unverträglichkeiten. Immer diese übertriebene Anpassung. Mittlerweile wird Natürliches als unnatürlich angesehen.“ Ein schlimmes Beispiel sei für ihn etwa der Analog-Käse. „Viele Leute wissen doch schon gar nicht mehr, wie ein natürlicher Rohmilchkäse schmeckt.“
Für 300 Liter Schnaps jährlich hat Franzl das Brennrecht, das vom Zoll strengstens überwacht und kontrolliert wird. Im Portfolio der Hofbrennerei gibt es rund 30 verschiedene Produkte, wie etwa die Klassiker Birne, Apfel, Zwetschge („Die ist 20 Jahre alt“) oder Quitte, aber auch außergewöhnliche Brände. Preislich liegen sie bei 25 bis 30 Euro, eine Flasche Vogelbeere kostet um die 70 Euro.
„Ich verarbeite, was das Jahr hergibt“, erzählt der Weltmeister. „Wildobst und Beeren, Holunder, Schwarze Johannisbeere, Schlehe, Wildkirsche, Mispel oder auch Attich, den kaum einer macht.“ Diese Sachen auszuprobieren sei spannend. „Da hast du beispielsweise eine Frucht, von der du die Welt erwartest. Die sieht toll aus, duftet toll, schmeckt toll und ist als Brand total langweilig, weil das Aroma verloren gegangen ist“, sagt Franzl. „Und dann hast du eine Frucht, die hässlich ausschaut und grässlich schmeckt, wie etwa den gemeinen Schneeball, den Attich oder die Vogelbeere, und da sind dann plötzlich die tollsten Aromen drin.“
Wenn es an die Ernte geht, packt die ganze Familie mit an, dazu Verwandte, Nachbarn und Freunde. Dann muss Andreas Franzl oft an seine Eltern denken. „Die haben früher oft alles mögliche Obst, das am Boden gelegen war, in einem Fass gesammelt, um später daraus Schnaps zu brennen. Und die waren saugrantig, als ich das dann alles weggeworfen habe, weil das schon zu gären anfing“, erzählt der 58-Jährige lachend. „Das war halt damals schon nicht mein Qualitätsanspruch.“
Und heute gibt ihm der Erfolg seiner Hofbrennerei Recht. Der vierfache Vater und Großvater hofft natürlich, dass die Familientradition fortgesetzt wird. „Der Junior ist 22, der interessiert sich dafür“, sagt er. Aufs Altenteil will sich Andreas Franzl aber eh noch nicht zurückziehen. Er hat noch viel vor und will in den nächsten Jahren noch weitere Auszeichnungen in seine Hofbrennerei nach Oberkorb holen. Es muss ja nicht immer gleich der Weltmeistertitel sein.
Hier gibt’s die Brände
Andreas Franzl verkauft seine Produkte in seiner Hofbrennerei, Oberkorb 1, 84405 Dorfen.