München – Heftige Hagel- und Regenfälle sind gestern Abend in Oberbayern niedergegangen. „Es hat uns aber nicht so schlimm erwischt“, sagte ein Sprecher der zuständigen Rettungsleitstelle in Ingolstadt. Zunächst habe es 60 Einsätze verschiedener Feuerwehren gegeben. Demnach standen Keller und Straßen unter Wasser. Außerdem fielen Bäume auf Fahrbahnen. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand.
Auch am Abend zuvor hatten Gewitter mit Starkregen und Hagel die Einsatzkräfte in Atem gehalten. Unglaubliches Glück hatte ein Paar in Aßling (Kreis Ebersberg). Dort schlug in die Dachgeschosswohnung der jungen Leute der Blitz ein – gerade in dem Moment, in dem der 30-jährige Bewohner den Lichtschalter berühren wollte. Der Mann ging benommen zu Boden, Fenster zersprangen, Stromleitungen platzten auf.
Auch seine 28-jährige Freundin wurde durch den Blitzeinschlag leicht verletzt. Beide wurden am Mittwochabend von Rettungskräften ins Krankenhaus gebracht. Ihre Herzen wurden überwacht, die durch die Spannung beeinträchtigt hätten werden können. „Uns geht es soweit wieder gut“, sagt der 30-Jährige gestern gegenüber unserer Zeitung. Er habe unglaubliches Glück gehabt, sollen die Retter ihm gesagt haben, weil er dick isolierte Schuhe getragen habe.
Schwer traf es am Mittwochabend auch Schwaben. In Günzburg verursachte ein Blitz einen Dachstuhlbrand in einem Reihenhaus, wie die Polizei gestern mitteilte. Die Flammen griffen auf ein weiteres Reihenhaus über. Einsatzkräfte retteten fünf Bewohner aus den Gebäuden. Eine Anwohnerin erlitt einen Schock und wurde behandelt. Der Schaden beläuft sich auf etwa 100 000 Euro.
Überflutungen gab es in einigen Gemeinde des Landkreises Fürstenfeldbruck. In Germering war die Unterführung am S-Bahnhof Unterpfaffenhofen überflutet, die Straße musste für drei Stunden gesperrt werden.
„Land unter“ war im Kreis Freising rund um die Gemeinden Kranzberg und Allershausen. Weil innerhalb kürzester Zeit eine Menge Regen fiel, konnte das Wasser nicht in die Böden einsickern. Nach kurzer Zeit waren einige Straßen überschwemmt.
Reik Schaab vom Deutschen Wetterdienst in München erklärt das Phänomen Platzregen. „Es trifft wenige, die dann aber richtig“, sagt er. Das kann so extrem sein, dass die eine Straßenseite untergeht, während die andere trocken bleibt. Der Grund für diesen Effekt: „Die Gewitterzellen stehen vor Ort und bleiben auch dort, denn wir haben in der Höhe derzeit kaum Wind.“ Die Situation ist vergleichbar mit der in einem geschlossenen Raum. Die Feuchtigkeit bleibt erhalten, regnet sich immer wieder ab, kein Austausch der Luftmassen. Dabei herrschen für Gewitter derzeit günstige Bedingungen. Die Luft ist – nach dem hochsommerlichen April und Mai – warm, feucht und beinahe unbewegt. Wenn die Sonne diese Luft erwärmt, bilden sich finstere Wolken. Die Basis der Gewitterwolken steht in wenigen hundert Metern Höhe in der Luft, darüber türmt sich die Wolke auf. „In unseren Breiten können solche Wolken bis in elf oder zwölf Kilometer Höhe reichen“, erklärt Schaab.
Das Innere einer solchen Cumulonimbus-Wolke funktioniert quasi wie ein Fahrstuhl für Hagelkörner. Sie werden bis ganz nach oben und dann wieder nach unten transportiert – je öfter das passiert, desto dicker wird der Hagel. „Der größte Durchmesser eines Hagelkorns in Deutschland liegt bei 14 Zentimeter – das ist schon Babykopfgröße“, so Schaab. Die Hagelkörner entstehen dadurch, dass die vom Fahrstuhl in die Höhe katapultierten Regentropfen dort gefrieren. „Derzeit liegt die Null-Grad-Grenze in etwa 3600 Metern Höhe“, erklärt Schaab.
Und, wie wird das Wetter? „Die schwüle Luft bleibt uns erst mal noch erhalten“, sagt Schaab. Und das bedeutet, dass es immer wieder örtlich zu Gewittern, teils auch mit Starkregen und Hagel, kommen wird. ch/mk