Gespräch im Justizministerium

von Redaktion

von Angela Walser

München – Wenn er erzählt, wird Zeit etwas Abstraktes und Geschichte lebendig. Montagabend war im Justizpalast in München so ein Moment. Professor Wolfgang Eisenmenger plauderte humorvoll über seine Fälle, seine Detail-Versessenheit und auch seine Ängste. Das Justizministerium hatte angesichts der Feierlichkeiten zu „100 Jahre Freistaat und 200 Jahre Verfassungsstaat“ geladen und gewährte einen eher ungewöhnlichen Einblick in den Rechtsstaat.

Viele Prominente landeten nach ihrem Tod in Eisenmengers Institut. Unter ihnen war 1988 der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. In Anwesenheit von dessen Leibarzt Valentin Argirov entnahm der Rechtsmediziner die Organe von Strauß und stieß auf ein für die Statur dieses Mannes riesiges Herz – Stierherz, wie es die Fachleute nennen. „Er war schwer herzkrank, das war die Todesursache“, erzählte Eisenmenger. Als er dem Leibarzt die Ausmaße des Herzens präsentierte, bemerkte Argirov: „Ich wusste es immer, aber er wollte es nicht wissen.“

„Ist das nicht ungewöhnlich, wenn man einen Ministerpräsidenten obduzieren muss?“, hakte Moderator Thorsten Otto nach, der durch den Abend führte. „Ich hatte Angst, dass mir da ein Fehler unterlaufen könnte“, erwiderte der Rechtsmediziner.

Als neun Jahre später Lady Di und ihr Lebenspartner Dodi Al Fayed bei einem Autounfall im Pariser Alma Tunnel starben, bat Dodis Vater den Münchner Forensiker um Hilfe bei den Nachermittlungen gegen den angeblich betrunkenen Chauffeur Henri Paul, der ebenfalls ums Leben gekommen war. Näheres durfte Eisenmenger aber nicht erzählen. Die Familie Al Fayed entband ihn nicht von seiner Schweigepflicht. Aber offenbar war rund um die Ermittlungen der Unfallursache „eine gewisse Schlampigkeit an den Tag gelegt worden“, sagte der Rechtsmediziner.

Um eine Nach-Sezierung wurde er von der Familie des Kriegsverbrechers Rudolf Heß gebeten. 1987 stand Heß’ Entlassung aus dem Spandauer Gefängnis an. Kurz zuvor starb er. Der Erzählung Eisenmengers zufolge, übernahmen die Engländer die Obduktion und erklärten, er habe sich mit einem Elektrokabel unter dem Bett erhängt. Die Familie glaubte diese Erklärung nicht. Sie baten den Münchner Mediziner um Hilfe. Heß’ Leiche kam nach München, die Organe allerdings blieben bei den Engländern. „Sie haben sie nicht herausgerückt“, so der Rechtsmediziner. Bei der Untersuchung der Leiche wurde das Münchner Institut von der Polizei bewacht.

Und tatsächlich fand Eisenmenger im Nackenbereich des Toten eine Strangulierstelle, die eher zum Schema einer Erdrosselung gepasst hätte als zum Erhängen. Letztendlich aber blieb es bei der Todesursache: Erhängen in liegender Position.

Der 74-jährige Experte erzählte viele Geschichten, die seine Obduktionen begleiteten. Da gab es eine Wasserleiche im Ammersee, die das Pfingsthochwasser 1999 in die Dießener Bucht (Kreis Landsberg a. Lech) gespült hatte. Es stand sofort fest, dass die Frau ermordet worden war. Der Täter wurde durch ganz spezielle Kieselalgen-Partikel des Ammersees überführt, die Eisenmenger in einer Schlaufe des Tauchanzugs gefunden hatte, der dem Mörder gehörte.

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