Unterföhring – Sie kannten sich seit der Sandkiste und waren Freundinnen fürs Leben – bis die 46-jährige Marketing-Chefin eines Blutspendedienstes nach einem gemeinsamen Grillabend von der erhöhten Gartenterrasse stürzte und sich einen folgenschweren Bruch zuzog. Fünf Jahre ist der Unfall in Unterföhring (Kreis München) her. Gestern trafen sich die Frauen vor dem Oberlandesgericht (OLG) wieder.
Die 46-Jährige hatte den Eigentümer des Hauses sowie ihre frühere Freundin auf die Zahlung von über 24 000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld verklagt. Außerdem verlangte sie die Übernahme folgender Behandlungskosten. Die Frau geht immer noch an Krücken, nimmt ständig Schmerzmittel. Ihren linken Fuß kann sie nicht mehr anheben. Zu allem Leid ereilte sie auch noch ein Bandscheiben-Vorfall. Während der Verhandlung musste sie sich zwischenzeitlich mit den Armen auf den Tisch stützen, weil die Schmerzen zu stark wurden.
An besagtem Juliabend hatten sich die befreundeten Paare zum Grillen auf der Terrassenplattform getroffen. Man saß beisammen, ratschte, genoss Köstlichkeiten vom Grill, bis sich der Lebensgefährte der Klägerin zum Aufbruch erhob. Er machte von der Plattform einen großen Schritt zur Treppe. Seine Freundin soll ihm nachgeeifert, aufgrund ihrer kleinen Statur aber nicht mehr die Treppe erwischt haben. Von der Plattform, die etwa einen halben Meter hoch ist, trat sie ins Leere und stürzte einen abgrenzenden Abhang hinab.
Den Hauseigentümer wollte sie nun in die Verkehrs-Sicherungs-Pflicht nehmen, dass er es bis dato versäumt hatte, ein Geländer um die Plattform zu bauen. In erster Instanz hatte das Landgericht München I die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die 46-Jährige aufgrund des weit überwiegenden Mitverschuldens keine Ansprüche gegen die Eigentümer erheben könne. Dagegen legt die Frau Berufung ein.
Vor dem Oberlandesgericht traf sie in Petra Willner auf eine fachkundige Vorsitzende Richterin, die viele Jahre in einer Baukammer mitgewirkt und sich aus dieser Tätigkeit ein großes Wissen angeeignet hatte. Willner erklärte, dass gemäß der bayerischen Bauordnung gebaute Abhänge von mehr als 50 Zentimetern Höhe mit einem Geländer gesichert werden müssen. Laut Eigentümern war die ungesicherte Terrasse in Unterföhring je nach Messstelle zwischen 49 und 53 Zentimetern tief.
Richterin Willner legte den Parteien nahe, sich auf einen Vergleich zu einigen. Als Summe schlug sie einen Betrag zwischen 15 000 und 20 000 Euro vor. Die Verletzung der Sicherungspflicht sah sie schon allein darin als gegeben, dass der Tisch, an dem alle gesessen hatten, nah am Abhang positioniert war. Der klagenden Frau gab sie zu verstehen, dass es bei einem Urteil sehr lange dauern werde, bis die Schadenshöhe ermittelt werden könne.
Die beiden Ex-Freundinnen sollen sich nun mit ihren Anwälten beraten, ob sie diesen Vergleich annehmen. Am 11. Juni will das OLG eine Entscheidung verkünden. Im Fall eines Urteils könnte der Prozess noch einmal ans Landgericht zurückverwiesen und ausführlich verhandelt werden. angela Walser