Kulmbach/München – Es ist der Albtraum für jeden Jugendbetreuer: Bei einem gemeinsamen Freibad-Ausflug im oberfränkischen Himmelkron verliert die Begleiterin einer Turngruppe ein achtjähriges Mädchen im Getümmel aus den Augen. Zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Das Kind geht unbeobachtet unter und treibt minutenlang bewusstlos unter Wasser. Eine Woche später stirbt es im Krankenhaus. Nun, vier Jahre später, ist gegen die Betreuerin ein Urteil gefallen: Wegen fahrlässiger Tötung wurde sie vom Amtsgericht Kulmbach zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, ausgesetzt zu einer zweijährigen Bewährungsfrist. Außerdem muss sie 1000 Euro Auflage an den Kinderschutzbund bezahlen. Es ist ein mildes Urteil, aber ein Schuldspruch.
Die Begründung der Richterin: Die Frau hat ihre Aufsichtspflicht verletzt. Nicht im Schwimmbad, sondern bereits zuvor: Sie habe sich nicht ausreichend bei den Eltern rückversichert, ob das Kind richtig schwimmen konnte. Die Betreuerin hatte ausgesagt, das Kind hätte ihr gegenüber behauptet, es könne schwimmen. Tatsächlich war das nicht der Fall. Das Mädchen hätte sich nicht im tiefen Beckenbereich aufhalten dürfen, so die Richterin.
Bei vielen Jugendgruppen und -verbänden herrscht nicht erst seit diesem Urteil Verunsicherung. Es ist nicht der erste Fall seiner Art: Vergangenen August mussten drei Betreuer und zwei Bademeister jeweils vierstellige Geldauflagen bezahlen. Ein zehnjähriger Bub war beim Ausflug seines Fußballvereins ins Spaßbad „Wellenberg“ in Oberammergau (Kreis Garmisch-Partenkirchen) ertrunken (wir berichteten). Viele Jugendbetreuer trauen sich mit ihrem Sportverein oder der Ministrantengruppe gar nicht mehr ins Wasser. Denn wenn etwas passiert, stehen sie schnell mit in der Verantwortung.
„Badeausflüge sind immer heikel“, sagt Christine Gürth, Geschäftsführerin beim Bayerischen Schwimmverband (BSV). Sie empfiehlt: „Die Betreuer sollten sich die Schwimmfähigkeit der Kinder vorher anschauen.“ Außerdem sollte eine schriftliche Bestätigung der Schwimmfähigkeit durch die Eltern vorliegen. Beides fehlte im Fall der ertrunkenen Achtjährigen in Himmelkron, daran störte sich auch die Kulmbacher Richterin.
Als Reaktion auf das Urteil hat der bayerische Landesverband der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG) eine Empfehlung veröffentlicht. „Wasser ist kein Teufelszeug – man muss nur wissen, wie man sich verhält“, sagt Walter Kohlenz, Vizepräsident der DLRG Bayern. Sein Verband rät Jugendleitern, nur Kinder mit in Schwimmbäder zu nehmen, die das bronzene Jugendschwimmabzeichen, den „Freischwimmer“, absolviert haben. Für Freigewässer wie Seen oder das Meer empfiehlt die DLRG sogar, mindestens auf das silberne Jugendschwimmabzeichen zu pochen. Sich auf die Angaben der Kinder zu verlassen, sei keinesfalls ausreichend. Außerdem sollten die Betreuer das silberne Rettungsschwimmerabzeichen nachweisen können.
Immer wieder kämen Vereine auf die DLRG zu, um sich Tipps für den Schwimmausflug zu holen, berichtet Kohlenz. „Komplette Sicherheit gibt es leider nicht“, sagt er. Es bleibe bei solchen Unternehmen immer ein Restrisiko. Wichtig sei vor allem, genügend qualifizierte Aufsichtspersonen mit ins Schwimmbad zu nehmen, um durchgängig den Überblick über die Gruppe zu behalten.
Besondere Vorsicht ist bei Ausflügen mit Schwimm-Anfängern oder gar Nichtschwimmern geraten, warnen Schwimmverband und DLRG. „Sie dürfen keine Minute unbeaufsichtigt bleiben“, sagt Kohlenz. Und BSV-Geschäftsführerin Gürt ergänzt: „Auf Nummer sicher geht man bei Nichtschwimmern nur mit einer Eins-zu-eins-Betreuung.“