München – Nie zuvor lebten Menschen im Freistaat so lange wie heute: „Wer mit 65 Jahren in den Ruhestand geht, hat im Durchschnitt noch 20 Lebensjahre vor sich“, sagte Melanie Huml, Staatsministerin für Gesundheit und Pflege in Bayern. Viele dieser „Neurentner“ wissen die Freiheit der neuen Lebensphase zu genießen: Sie sind aktiv, nutzen die Zeit für Konzerte und Theater, etwa jeder Dritte engagiert sich zudem ehrenamtlich.
Das Alter werde oft mit dem in Verbindung gebracht, was nicht mehr geht, sagte Huml. Dabei hat natürlich auch das Leben 65plus viele Facetten. Dem trägt der erste Bericht „Gesundheit im Alter“ Rechnung, den die Ministerin gestern in München vorgestellt hat. Auf den rund 150 Seiten finden sich nicht nur Daten zu Krankheiten und Gebrechen. Es geht auch um seelische und soziale Aspekte.
Letztlich ist der Bericht eine Reaktion auf den demografischen Wandel: Schon heute sind rund 20 Prozent der Bayern 65 Jahre oder älter, also insgesamt 2,6 Millionen Frauen und Männer. Fast 700 000 sind mindestens 80 Jahre alt, etwa 2000 Menschen sogar älter als 100 Jahre. Wird heute ein Mädchen im Freistaat geboren, liegt seine Lebenserwartung bei 83,5 Jahren (Bund: 83,1), die eines Buben bei 78,9 Jahren (Bund: 78,2). Im Jahr 2035 könnten damit fast 3,6 Millionen über 65-Jährige in Bayern leben – also 26 Prozent der Bevölkerung.
Dafür sind Rentner schon heute viel rüstiger: 60-Jährige seien „geistig und körperlich deutlich gesünder“ als Gleichaltrige früherer Generationen, heißt es im Bericht. Das verändert offenbar die Einstellung zum Alter. 73 Prozent der 40- bis 85-Jährigen in Deutschland sehen heute eher die positiven Seiten, 2014 lag dieser Anteil nur bei 65 Prozent. „Das Bild des Alters wandelt sich“, sagte die Ministerin.
Bei der Frage, wie zufrieden Menschen sind, spielt das Alter offenbar kaum eine Rolle. Trotz mancher Einschränkungen bewahren sich viele Senioren eine positive Sicht. „Selbst wenn fünf oder mehr Erkrankungen bestehen, sind mehr als drei Viertel der Betroffenen mit ihrem Leben ,sehr zufrieden‘ oder ,eher zufrieden‘“, sagte Huml. Ganz entscheidend für die Zufriedenheit ist aber, wie selbstbestimmt man noch leben kann. Im Jahr 2015 waren in Bayern rund 290 000 Menschen auf Pflege angewiesen.
Denn Fakt ist leider auch: Krankheiten nehmen im Alter zu. Viele Senioren leiden gar an mehreren gleichzeitig. Bei den 80- bis 85-Jährigen betrifft das 65 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer. Besonders häufig sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Bei 85 Prozent der über 65-Jährigen gesetzlich Versicherten in Bayern, die 2015 wenigstens einmal beim Arzt waren, lag eine solche Diagnose vor – also bei 1,9 Millionen Menschen. Im Alter ab 85 Jahren sind sogar neun von zehn betroffen. Sie alle haben ein höheres Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt. 2015 gab es 20 000 Herzinfarkte bei ab 65-Jährigen.
Zu einem immer größeren Problem entwickelt sich die Zuckerkrankheit: Etwa jeder vierte Bayer ab 65 Jahren leidet daran, die allermeisten davon an Diabetes Typ 2. Der Anteil ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. In der Gruppe der 65- bis 74-Jährigen ist heute fast jeder Vierte betroffen, bei den 75- bis 84-Jährigen sind es 31,4 Prozent. Männer sind in beiden Altersgruppen häufiger vertreten. Der Anstieg lässt sich dem Bericht zufolge nicht allein mit der Alterung der Gesellschaft erklären. Einen wesentlichen Anteil daran habe ein ungesunder Lebensstil.
Auch Krebs ist ein häufiges Leiden des Alters: 2014 betrafen 60 Prozent aller Neuerkrankungen Menschen ab 65 Jahren. In Bayern waren 2015 elf Prozent dieser Altersgruppe betroffen. Die Zahl der Demenzkranken wächst ebenfalls – bei 10,3 Prozent der ambulant behandelten gesetzlich Versicherten wurde diese Diagnose in 2015 wenigstens einmal angegeben. Drei von vier Senioren plagten sich zudem mit Erkrankungen der Muskeln und Knochen.
Überhaupt sind viele offenbar nicht mehr sicher auf den Beinen: Stürze machen einen Großteil der Unfälle bei Senioren aus. So mussten 2015 vier von zehn Bayern ab 85 Jahren wegen einer „Verletzung, Vergiftung oder aufgrund anderer äußerer Ursachen“ ambulant behandelt werden. 520 Frauen und 246 Männer ab 85 Jahren sind infolge eines häuslichen Unfalls – meist eines Sturzes – gestorben.
Die Angst vor Stürzen ist entsprechend groß: Mehr als jeder dritte Deutsche im Alter zwischen 75 und 85 Jahren fürchtet sich davor. Dabei können Senioren viel selbst tun, um das Risiko zu senken. Hierzu und zu vielen anderen Fragen des Lebens 65plus enthält der Bericht Hinweise, wo Senioren Infos und Hilfen bekommen. Er ist im Internet zu finden, unter der Adresse www.stmgp.bayern.de.