München – Am Ende blickt Natascha Kohnen überlebensgroß auf die knapp 300 Delegierten des SPD-Parteitags in der Münchner Olympiahalle. Nur ihre Augenpartie und ihre Brille sind auf einem riesigen Banner zu sehen, das nach ihrer Kür zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 14. Oktober hinten im Saal enthüllt wird. „Ein neues Gesicht für Bayern“ steht dort in großen Lettern. Und vorne auf der Bühne strahlt die 50-Jährige in die Kameras. Natürlich sei das eine riesige Herausforderung, vor der sie „ganz, ganz großen Respekt“ habe, sagt sie. Aber wenn sie an ihre Tochter und ihren Sohn denke, „dann weiß ich, wofür ich das mache“.
„Jetzt wird Zukunft gemacht!“ – unter dieses Motto stellten die bayerischen Sozialdemokraten diesen Parteitag, der nur einen einzigen Zweck hatte: Kohnen offiziell zur Spitzenkandidatin zu küren. Das Hickhack und die internen Streitereien auf dem Weg zur neuen großen Koalition in Berlin, die Personalquerelen um den Rücktritt von Parteichef Martin Schulz – all das soll nun abgehakt werden. Nun will man endlich wieder gemeinsam an einem Strang ziehen. Das wird auch an Kohnens Wahlergebnis sichtbar: Mit 94,8 Prozent wird sie vom Parteitag aufs Schild gehoben. Sie ist damit die erste weibliche Spitzenkandidatin der Bayern-SPD seit Renate Schmidt in den 90er-Jahren (siehe Kasten).
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sagte, Kohnen verkörpere genau das, was die SPD jetzt brauche, nämlich „Offenheit, Transparenz, Glaubwürdigkeit, Durchsetzungsvermögen“. Doch nur ein neuer Stil hilft Kohnen wenig. Deshalb setzt sie auf Themen, die viele Menschen bewegen: Gerechtigkeit, faire Löhne, vor allem aber: Wohnen. Das sei „die größte soziale Frage der nächsten Jahre und Jahrzehnte“, sagt Kohnen über die Wohnungsnot in vielen Städten und die massiv steigenden Miet- und Baulandpreise. „Und deshalb müssen wir gemeinsam diese Wohnungsnot bekämpfen.“ Sie fordert ein eigenständiges bayerisches Bauministerium, vor allem aber die Gründung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft, die in den nächsten fünf Jahren 25 000 neue Wohnungen pro Jahr bauen müsse. „Wann, wenn nicht jetzt?“, fragt sie.
Die SPD ist die einzige Oppositionspartei, die nicht öffentlich angekündigt hat, im Herbst gemeinsam mit der CSU regieren zu wollen. Die Freien Wähler, die FDP, sogar die Grünen habe sich eindeutig aufs Mitregieren festgelegt. Ob die SPD am Ende davon profitieren kann? Kohnen jedenfalls verzichtet bewusst auf jegliche Koalitionsaussage.