S-BAHN

Wirrwarr bei Handy-Tickets

von Redaktion

von dirk walter

München – Die 15-jährige Tochter von Selma Wilhelm aus Krailling (Kreis Starnberg) dachte sich nichts dabei, als sie im vergangenen September in der S-Bahn kontrolliert wurde. Sie hatte ja ein Handy-Ticket dabei. Also zückte sie ihr Smartphone, zeigte es dem Kontrolleur – und stand als Schwarzfahrerin da. Denn unter der U21-Streifenkarte stand nicht ihr Name – Helena Wilhelm –, sondern der ihrer Mutter Selma.

Was folgte, war das übliche Prozedere der Fahrpreisnacherhebungsstelle von DB Vertrieb – bahnintern FN-Stelle genannt –, die Selma Wilhelm die Zahlungsaufforderung über 60 Euro schickte. Sämtliche Widersprüche der Mutter scheiterten. Formal, sagt Selma Wilhelm heute, hat die Deutsche Bahn Recht. Aber trotzdem fühle sie sich unfair behandelt. Denn die Buchung des Handy-Tickets beruhe auf einem Versehen. Eine Schwarzfahrerin im eigentlichen Sinn sei weder sie noch ihre Tochter. Das gibt sogar die FN-Stelle zu: „Wir glauben Ihnen, dass Ihre Tochter in bester Absicht in den Zug eingestiegen ist“, heißt es an einer Stelle im Schriftverkehr.

Eine Schwarzfahrerin wider Willen also – das kann im Dickicht der Tarifbestimmungen beim Handy-Ticket offenbar passieren. Selma Wilhelm verlässt sich wie auch ihr Mann auf die App der Münchner Verkehrsgesellschaft. Über deren App kann auch eine Streifenkarte gekauft werden. Da die 15-jährige Tochter noch nicht geschäftsfähig ist und kein eigenes Girokonto besitzt, buchte ihre Mutter die Fahrkarte für sie. Ihr Fehler: Sie versäumte es, die Streifenkarte vor dem Kauf zu personalisieren – in diesem Fall auf den Namen ihrer Tochter. Dies ist wichtig, weil die Streifenkarte sonst auf jedem Smartphone abgerufen werden könnte – also auch mehrfach. Das wäre Betrug.

Die Notwendigkeit der Personalisierung ist bei der Lektüre der MVG-Tipps zum Kauf von Handy-Tickets allerdings nicht ersichtlich. Allenfalls indirekt hätte die Kraillingerin dies erschließen können, denn an einer Stelle gibt die MVG den Hinweis, dass bei der Kontrolle ein Lichtbildausweis vorgezeigt werden muss. „Die gesamte Werbekampagne der MVG bezüglich der Handy-Tickets zeigt immer nur das Handy, ein Lichtbildausweis wird da nirgends mit vorgezeigt“, beschwert sich Selma Wilhelm. „Das steht dann irgendwo im Kleingedruckten.“

Die Personalisierung ist selbst bei der Bahn nicht jedermann geläufig. Die Auskunft zum Beispiel, die die Fahrpreisnacherhebungsstelle in Baden-Baden Selma Wilhelm dazu gab, ist definitiv falsch: „Die Buchung für Dritte ist leider für ein Handy-Ticket nicht möglich“, schreibt die FN-Stelle. „Handy-Tickets können derzeit nur für den angemeldeten Nutzer und dessen Mitreisende gebucht werden.“ Stimmt nicht, sagt die DB-Pressestelle: Sämtliche Handy-Tickets können beim Kauf sehr wohl auch personalisiert werden – das bedeutet, Selma Wilhelm hätte die Streifenkarte auf den Namen ihrer Tochter ausstellen können (wenn sie denn von der Möglichkeit gewusst hätte). Bei der MVG-App allerdings – und das macht das Wirrwarr komplett – lässt sich nur die Streifenkarte personalisieren, nicht aber zum Beispiel ein Tagesticket. Die Bahn hingegen betont, über ihre App könnten alle Handy-Fahrkarten-Typen personalisiert werden. Und noch ein Unterschied: Der Käufer bei der MVG-App muss 18 Jahre alt sein, bei der Deutschen Bahn reicht 16.

Selma Wilhelm hat die Fahrpreisnacherhebung inzwischen zähneknirschend beglichen: 60 Euro plus fünf Euro Mahngebühr – weil ja der Schriftverkehr so lange dauerte.

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