Bayern und seine Geschichten

Kriminal-Inspektor Eßl ermittelt

von Redaktion

Goldraub und Giftmord – die Fälle eines Münchner Polizisten

Der Münchner Schandi Wilhelm Eßl (1861–1932) war ein Kriminaler, der im Laufe seiner Karriere etliche Fälle geklärt hat – kleine wie große. Er war schon im Königreich Bayern Polizist – als Königlich bayerischer Oberkriminalinspektor. Als nun sein Enkel starb, hinterließ er neben Zeitungsausschnitten, in denen der Großvater lobend erwähnt wird, auch ein Foto und einen Akten-Auszug, in dem einige spektakuläre Kriminalfälle der damaligen Zeit geschildert werden. Der Unterlagen nahm sich eine Bekannte an – und gab sie unserer Zeitung. Ein Glücksfall! Kriminalpolizist Eßl ermittelt – da könnte man eine Serie draus machen.

Einer von Eßls größten Fällen war der Goldraub in der Alten Münze in der Münchner Innenstadt. Damals, im Jahr 1906, machte sich ein Soldat den Umstand zunutze, dass unter der Münzprägeanstalt der später stillgelegte Pfisterbach hindurchfloss. Als dieser wegen einer Bachauskehr vorübergehend wasserlos war, drang der Täter so in das Innere des Hauptmünzamtes vor und raubte 130 000 Mark in neu geprägten Zehnmarkstücken. Eßl klärte den Fall schnell auf – „uneingeschränktes Lob wurde Vater seinerzeit in der Tagespresse zuteil“, hat sein Sohn voll Stolz an den Rand des Zeitungsausschnittes von damals in Sütterlinschrift geschrieben.

Schlagzeilen in der Presse machte auch einer von Eßls letzten Fällen vor der Pensionierung, als er 1925 einen Versicherungsbetrug aufdeckte. Ein Skisportler war in den Stubaier Bergen vermisst gemeldet worden, seine Frau erhob Anspruch auf Lebensversicherungen. Eßl deckte auf, dass sich ihr Mann in Wahrheit putzmunter ins Elsass abgesetzt hatte – seine Ehefrau konnte in München verhaftet werden.

Eßls spektakulärster Fall aber war ein Giftanschlag, den er 1922 aufklären konnte und der filmreif wäre. Der Schliersee war ein Tummelplatz der Schönen und Reichen, schon damals, in den 1920er-Jahren, als der Medizinalpraktikant Robert Huber sich dort auf die Suche nach vermögenden Opfern machte. Huber, ein Lebemann, gut aussehend, war auf der Skipiste mit einem älteren Ehepaar ins Gespräch gekommen. Der Villenbesitzer und Rentier Anton Grimm war beeindruckt vom jungen Mann, man freundete sich an. Bald ging Huber im Hause der Grimms am Schliersee ein und aus und sah, dass da etwas zu holen war. Am 2. Juni 1922 mischte er in die Waldmeisterbowle, die die Gastgeberin kredenzte, ein Gift namens Digitoxin, ein Extrakt, der aus dem Fingerhut gewonnen wird und tödlich wirken kann. „Schon eine Stunde nach dem Genusse dieser Bowle erkrankten die Eheleute Grimm an schweren Vergiftungserscheinungen“, heißt es in einem Aktenauszug („Betreff: Huber, Robert, wegen Giftmordes u.a.“), den Eßl aufbewahrt hat. Während sich die Ehelute immer wieder heftig erbrachen, nutzte Huber die Gunst der Stunde und stahl Juwelen im Wert von mehr als einer halben Million Mark, die die Eheleute zu Hause aufbewahrt hatten.

Doch die beiden überlebten den Giftmordanschlag – und schlugen Alarm. Huber wurde verhaftet, und dann kam gleich noch ein weiterer mutmaßlicher Giftanschlag heraus. Schon 1918 hatte sich Huber in die Münchner Familie Reindl als „Hochstapler und Heiratsschwindler“ eingeschlichen, dann aber offenbar versucht, sowohl seine Angebetete als auch deren Eltern zu beseitigen. Alle drei waren in den Jahren zwischen 1919 und 1922 verstorben. Eßl fand heraus, dass zumindest Johann Reindl mit einem Rotlauf-Serum infiziert worden war. Rotlauf, bekannt auch als Wundrose, ist eine bakterielle Infektion der Haut. Das Serum hatte sich Huber, wie Kriminaloberkommissar Eßl recherchierte, unter makabren Umständen besorgt – von der Leiche einer Bäckersfrau, die nach schwerer Rotlauf-Entzündung gestorben war. Unter dem Vorwand, er wolle Reindl die wunden Beine massieren, infizierte er den Mann mit der Wundrose. Reindl starb bald darauf.

Die Münchner Presse hatte ihren Sensationsprozess im Justizpalast. „Das Opfer eines Giftmischers“, „Mit Gift und Bazillen“ – das sind einige Zeitungsüberschriften aus der damaligen Zeit. Auch der Polizist Eßl wird lobend erwähnt: „Nach langwierigen, schwierigen Erhebungen gelang es dem Münchener Kriminal-Oberkommissär Eßl mit seinen Beamten, den Verbrecher vollends zu entlarven.“ Bei der Urteilsverkündung „war der Andrang des Publikums außergewöhnlich groß“, berichteten die Münchener Neuesten Nachrichten. „Da sich die Abgewiesenen vor dem Gerichtssaale drängten, musste der Gang mehrmals polizeilich geräumt werden.“ Innen im Gerichtssaal verkündete der Richter das Urteil: 15 Jahre Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für zehn Jahre. Huber sei ein „berechnender Egoist“, hielt der Richter fest, „ein durch und durch verlogener Mensch“, der „skrupellos“ Freundschaft und Gastrecht für ein scheußliches Verbrechen missbraucht habe. Bis ihm Kriminalpolizist Eßl auf die Schliche kam. dirk walter

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