München – Günther Felbinger wirkt bei seinem Auftritt vor dem Oberlandesgericht etwas durcheinander. Erst überhört er den Morgengruß der Richterin und murmelt bei der Angabe seiner Personalien „ledig“, obwohl seine Frau im Zuschauerraum sitzt. Wegen der Anspannung kann das vor einem Prozess schon mal passieren. Auffällig ist aber, dass der Abgeordnete auch bei seiner Verteidigungsstrategie durcheinander kommt.
Dabei beginnt die Verhandlung wegen fünffachen Betrugs eindeutig. „Das was in der Anklage steht, ist richtig“, sagt Felbinger. Er hat also den Landtag um insgesamt 56 000 Euro mithilfe fingierter Mitarbeiter- und Dienstleistungsverträge betrogen – und damit den Steuerzahler. „Die Verträge waren ein großer Fehler.“ Das Geld habe er für seine Arbeit und zugunsten der Freien Wähler verwendet. Noch unklar ist, ob er sich so zumindest aber die jährliche Abgeordnetenabgabe (derzeit 4500 Euro) an die eigene Partei sparte.
Felbinger gesteht nicht nur, er versucht in einer ausführlichen Stellungnahme auch, seinen Betrug zu begründen. Er fühlte er sich offenbar ungerecht behandelt: „Ich habe im Gegenzug zu einem Abgeordneten der Regierungsfraktion einen sehr hohen Aufwand“, sagt er. 90 Stunden Arbeit pro Woche, immer acht Termine pro Wochenende in seinem weitläufigen Zuständigkeitsbereich in Unterfranken und dazu die hohe Fahrtkosten. Pro Monat würden allein 2000 Euro an Benzinkosten anfallen (was selbst beim Heranziehen der 30-Cent-Pauschale über 6500 Kilometer wären). „Da ist die Sachaufwandspauschale ratzfatz weg.“ Als Abgeordneter erhält er dafür 3398 Euro pro Monat – zusätzlich zu seinen Diäten (8022 Euro). Das reichte ihm aber nicht, er zapfte mehrere Jahre lang weitere Töpfe an.
Die fingierten Dienstverträge schloss Felbinger mit sich selbst – auf den Dokumenten unterschrieb er links als Abgeordneter und rechts als Vorsitzender des Freie-Wähler-Kreises Main-Spessart. Es gibt eindeutige Indizien: Die Vergütung im angeblichen Arbeitsvertrag mit dem Sohn seines Vermieters sank beispielsweise ausgerechnet an dem Tag, als die Miete für sein Büro wegen Entlassung der Putzfrau gesunken wäre. Und Listen für die angeblichen Aufträge zur Bearbeitung von Bürgeranfragen fehlen ebenso. „Gibt es die?“, hakt Richterin Elisabeth Ehrl nach. „Ich glaube nicht“, antwortet Felbinger. Ehrl: „Ich auch nicht. Schade.“
Felbinger spricht langsam, aber ausführlich. Vielleicht zu ausführlich. Er sei nach einer Beratung durch das Landtagsamt auf die Betrugsmasche gekommen, sagt er. Zudem habe sich nie jemand beschwert, dass er seine Verträge selbst unterschreibe. Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen. Sondern: „Das ist die Grundidee, die im Landtag kursiert.“ Dann wird Felbinger von seinem Anwalt gestoppt. Ob das alle Abgeordneten machen, will er nicht mehr sagen. Richterin Ehrl nimmt ihm den Vorwurf nicht ab – im Landtag würden ja keine Beamten arbeiten, „die erklären, wie man am besten bescheißt“.
Eine wichtige Frage für das Strafmaß ist, wie reuig und glaubwürdig Felbinger ist. Es deutet sich an, dass er es zumindest in der Vergangenheit mit der Wahrheit nicht genau genommen hat. Vor Gericht sagt der 55-Jährige etwa, dank „einer Stunde Sport pro Tag“ sei er gesund, „außer den allgemeinen Zipperlein, die man mit fortschreitendem Alter immer mal wieder hat“. Als er vier Monate im Landtag fehlte, hatte er gegenüber unserer Zeitung von einer Herzattacke und einem Hörsturz berichtet.
Wegen Betrugs droht ihm Haft, möglicherweise auf Bewährung. Im Vorfeld gab es deshalb ein Treffen der Beteiligten, zu einem „Deal“ kam es aber nicht. Bei einer hohen Strafe könnte Felbinger Probleme bekommen, zurück in seinen Beruf als Sportlehrer an einer Hörgeschädigtenschule zu wechseln. Das sei nach der Legislaturperiode sein Plan – um ein Landtagsmandat bemühe er sich nicht mehr. Aus der Freie-Wähler-Fraktion trat er bereits aus.
Offen bleibt, was die Freien Wähler wussten. In Unterfranken hieß es, es lägen keine Verträge vor. Felbinger sagt, man habe Bescheid gewusst. „Die Verträge sind über die Kassenprüfer gelaufen.“
Fortsetzung ist übermorgen.