UMwandlung der JVA ERding

Letzte Station Abschiebehaft

von Redaktion

Von Katrin Woitsch

München – Von Freiheit wird hinter den Zellentüren in der JVA Erding nicht mehr geträumt. Denn für die Menschen, die dort gerade untergebracht sind, ist Freiheit gleichbedeutend mit Abschiebung. Wenn sie das Gefängnis verlassen, dann nur, um einen Abschiebeflieger zu betreten, der sie in das Land zurückbringt, aus dem sie geflüchtet sind. Die Menschen, die seit einigen Tagen in den Erdinger Zellen leben, haben nicht gegen das Gesetz verstoßen. Flüchtlinge, die Straftaten begehen, werden in gewöhnlichen Gefängnissen untergebracht. Die Menschen im Abschiebegefängnis sind weder angeklagt noch verurteilt worden. Aber sie haben sich einer Abschiebung entzogen. Oder es besteht ein begründeter Verdacht, dass sie es tun könnten. Dann nämlich kann eine Ausländerbehörde Abschiebehaft beantragen.

In Bayern kommt das immer häufiger vor. So häufig, dass das Abschiebegefängnis in Eichstätt nicht mehr ausreicht. Dort stehen 96 Haftplätze bereit. Kurzfristig und vorübergehend können sie erweitert werden. Doch langfristig war das keine Lösung mehr. Denn aktuell leben in Bayern 115 Menschen in Abschiebehaft. Deshalb ist vor wenigen Tagen die JVA Erding in ein Abschiebegefängnis umgewandelt worden. Anfangs war nur von 24 Plätzen für Abschiebehäftlinge die Rede, inzwischen hat das Justizministerium diese Zahl auf die Höchstbelegung von 49 nach oben korrigiert – mit dem Hinweis, dies komme selbstverständlich nur kurzfristig und vorübergehend vor, wenn alle übrigen Abschiebehaft-Plätze belegt sind.

Für die Erdinger Justizvollzugsbeamten ist es ein großer Unterschied, ob sie wie zuvor für 49 Strafgefangene zuständig sind oder für 49 Abschiebehäftlinge. Denn die abgelehnten Flüchtlinge haben nicht nur einen anderen Status als die Strafgefangenen – es gelten auch andere Regeln. So dürfen die Abschiebehäftlinge beispielsweise tagsüber nicht in den Zellen eingesperrt werden, sie müssen sich auf ihren Stockwerken frei bewegen können. Aber sie haben im Gegensatz zu den JVA-Häftlingen keine Arbeitsplätze – und folglich den ganzen Tag auch keine Beschäftigung, erklärt Fritz Steinberger. Er ist Anstaltsbeirat und hat damit auch die Aufgabe, die Betreuung der Gefangenen zu kontrollieren. Er kritisiert die Umwandlung der JVA Erding massiv. Nicht nur, weil die 49 Strafgefangenen, die auf andere Gefängnisse verlegt wurden, ihre Arbeitsstellen verloren haben. Sondern auch, weil die Justizvollzugsbeamten mit vielen Problemen allein dastehen. „Viele der Abschiebehäftlinge sind traumatisiert“, sagt er. In der Erdinger Anstalt gibt es aber bisher keinen Psychologen oder Sozialarbeiter. Das Justizministerium hat zwar versprochen, die Fachdienste in Erding möglichst bald zu verstärken. Es sind zehn Neueinstellungen geplant und zur Überbrückung Verstärkung durch Mitarbeiter aus anderen Anstalten. „Das hätte aber alles passieren müssen, bevor die Abschiebehäftlinge gebracht werden“, kritisiert Steinberger.

Maria Brand kennt die Probleme in Abschiebegefängnissen gut. Sie arbeitet für Amnesty International und hat drei Jahre lang Abschiebehäftlinge in München betreut. „Für sie ist die Situation viel schwieriger als für Strafgefangene“, sagt sie. „Sie leben nicht auf eine Perspektive, die Entlassung, hin – sondern in permanenter Angst vor der Abschiebung. Und das manchmal über Monate.“ Außerdem haben die Flüchtlinge kein Schuldempfinden, weil sie keine Straftat begangen haben, erklärt Brand. Und auch keinen Anreiz, sich an die Regeln zu halten, um bald entlassen zu werden. Aus dem Frust, der Perspektivlosigkeit und dem Zwang zur Untätigkeit entstehe eine aufgeheizte und gefährliche Atmosphäre.

Nach Erding wurden gleich am ersten Tag mehr als 30 Abschiebehäftlinge gebracht. Und gleich am ersten Tag kam es zu Tumulten und Suizidandrohungen.

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