Biebelried – Ein Blick aufs Handy, ein Griff ins Handschuhfach, ein herzhaftes Gähnen – im schlimmsten Fall kann eine solche kurze Unaufmerksamkeit innerhalb von Sekunden das Leben von Menschen auslöschen. Dann wird ein schwerer Lastwagen, der ungebremst auf ein Auto oder einen anderen Lkw prallt, zur Todesfalle. Auf der Autobahn 3 in Unterfranken sind in den vergangenen Tagen drei Menschen ums Leben gekommen, weil Lastwagenfahrer ein Stauende zu spät bemerkt hatten.
Auf der A 3 zwischen Biebelried (Landkreis Kitzingen) und Rottendorf (Kreis Würzburg) hatte es am Mittwochabend gleich zweimal kurz hintereinander gekracht. Zunächst war ein 60-Jähriger mit seinem Sattelzug mit großer Wucht auf einen vor ihm stehenden Lastwagen aufgefahren, wie die Polizei mitteilte. Der Mann aus der Türkei kam dabei ums Leben. Gleichzeitig wurde der Lastwagen dadurch auf ein Sicherungsfahrzeug eines Schwerlasttransporters geschoben. Die beiden Insassen wurden dadurch leicht verletzt. Die Fahrer des Lastwagens und des Schwertransporters blieben nach Angaben der Polizei unverletzt. Der Schaden soll bei mehr als einer Million Euro liegen.
„Beim zweiten Unfall passierte im Prinzip das Gleiche“, sagt ein Polizeisprecher. Auf das Stauende etwa zehn Kilometer weiter östlich zwischen Kitzingen (Landkreis Kitzingen) und Biebelried fuhr zwei Stunden später ein weiterer Lastwagenfahrer auf. Sein 48 Jahre alter Beifahrer aus Polen starb, als durch den Aufprall insgesamt drei Lastwagen ineinander geschoben wurden. Zwei Fahrer wurden schwer verletzt.
Die Unfälle reihen sich zu einer traurigen Serie: „Das ist der dritte Unfall“, sagt der Sprecher. Erst am Dienstag hatte ein Lkw-Fahrer auf der A 3 im Landkreis Würzburg das Ende eines Staus übersehen und war fast ungebremst in dessen Ende gerast. Er starb noch an der Unfallstelle. Die genauen Hintergründe der Unfälle vom Mittwochabend werden noch ermittelt. „Fakt ist: Beide Fahrer haben den Stau übersehen und sind mit großer Wucht auf das Stauende aufgefahren“, sagt der Polizeisprecher.
In Erinnerung bleibt auch der schwere Busunfall auf der A 9 in Nordbayern bei Münchberg. Ein Reisebus war im Juli 2017 auf einen Sattelzug aufgefahren. Der Fahrer hatte den Stau zu spät bemerkt. Der Bus ging sehr schnell in Flammen auf, 18 Menschen starben.
Wenn ein Lastwagen nicht rechtzeitig bremsen kann, wird es gefährlich. Auffahrende Lastwagen machen ein Fünftel aller schweren Lkw-Unfälle aus und sind für 30 Prozent der dabei Getöteten verantwortlich – zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer. Bundesweit gab es dem Statistischen Bundesamt zufolge im Jahr 2016 auf deutschen Autobahnen gut 8000 von Lkw ausgelöste Unfälle mit Verletzten. Hauptursache dafür ist mit 20,4 Prozent demnach zu geringer Abstand, gefolgt von Fehlern beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren sowie Vorfahrtsfehlern. Kombiniert mit Unaufmerksamkeit wird der Lkw-Fahrer schnell zum Risikofaktor.
Die Technik hilft bislang nicht immer. Kontrollsysteme für Ruhezeiten der Fahrer können ignoriert oder manipuliert werden. Und automatische Notbremsassistenten sind zwar seit 2015 verpflichtend – aber bislang nur für neu zugelassene Lkw und Busse ab acht Tonnen. Auch sie können ausgeschaltet werden. Der ADAC forderte zuletzt effektivere Notbremsassistenten, die der Fahrer nicht manuell ausschalten kann, sowie strengere Kontrollen und Strafen für zu geringen Abstand.
Dass einige Brummifahrer während ihrer Tour Filme schauen, SMS schreiben oder gar Zeitung lesen, kann allerdings keine Technik verhindern. „Da gibt es wohl die verrücktesten Sachen, die sich da in den Lkw-Kabinen abspielen“, sagt der Polizeisprecher aus Unterfranken dazu.
Bei einem vierten Unfall auf der A 3 bei Regensburg hatte der Unfallverursacher großes Glück. Auch er hatte den Stau vor sich übersehen. Der Kleinlasterfahrer wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Bei seiner Rettung hatte der 40-Jährige aus Rumänien das Handy noch in der Hand – darauf lief ein Film.