Interview mit einem Spielzeugforscher

Spielend die Welt erkunden

von Redaktion

Die Auswahl der Spielzeugläden und Onlineshops wächst mit jedem Jahr – besonders im Weihnachtsgeschäft überbieten sich die Hersteller gegenseitig mit Neuerscheinungen. Dr. Volker Mehringer, Spiel- und Spielzeugforscher an der Universität Augsburg, erklärt, was gutes Spielzeug ausmacht – und warum Buben auch mal eine Puppe in die Hand nehmen sollten.

-Herr Mehringer, Spielen hat nicht unbedingt einen Sinn oder ein Ziel. Warum ist es – gerade für Kinder – trotzdem so wichtig?

Für die Kinder hat es Sinn, was sie da tun. Sie nehmen ihre Spieltätigkeit ernst, das zeigt sich schon an den Konflikten, die es dabei gibt. Und Spielen beinhaltet immer einen Lernprozess. Motorisch beim Basteln, kognitiv bei Rätseln oder emotional bei Rollenspielen. Kinder lernen so auch viel über die Welt und bereiten sich auf die Gesellschaft vor. Denken Sie nur an „Mensch ärgere Dich nicht“. In dem Spiel steckt, sich an Regeln zu halten, sich auf einen Wettbewerb einzulassen und natürlich Frustrationstoleranz und Ehrgeiz zu erproben. Außerdem schafft Spielen emotionalen Ausgleich und baut Druck ab.

-Was macht ein gutes Spielzeug aus?

Da gibt es viele Kriterien, die man anlegen kann: zum Beispiel ob es die Fantasie anregt, einen vernünftigen Preis im Vergleich zum Spielwert hat, sicher ist, oder ethischen Gesichtspunkten entspricht – siehe Spielzeugwaffen. Unterm Strich gilt: gutes Spielzeug ist ein Spielzeug, mit dem gespielt wird. Zu viel pädagogische Sorge braucht es nicht.

-Unter den Spielzeugen des Jahres sind ein ferngesteuertes Auto und eine Drohne, beides mit Virtual-Reality-Brille. Ist die Digitalisierung im Kinderzimmer besorgniserregend?

Nein. Ein ferngesteuertes Auto macht großen Spaß, das merke ich an mir selber. Und über das Digitale kommt ein neuer Spielwert dazu: Ich kann mich über die Brille in die Drohne oder das Auto setzen. Das finde ich spannend. Eine gewisse Vorsicht ist aber angebracht, es gibt bisher zum Beispiel zum Thema Virtuelle Realität bei Kinder wenig Forschung.

-Hat analoges Spielzeug da noch Zukunft?

Absolut. Digitales kann nicht alle Sinne und Entwicklungsbereiche gut ansprechen. Wie soll Schaukeln digital funktionieren? Auch Feinmotorik zu fordern: Greifen, Aufeinanderstecken, das kann Lego viel besser als das Smartphone. Nicht zu vergessen der soziale Aspekt, den das miteinander Spielen hat.

-Kann ein Kind zu viel Spielzeug haben?

Interessante Erwachsenen-Frage (lacht). Ich kenne kein Kind, das jemals dieses Problem gehabt hätte.

-Spielverhalten ändert sich mit dem Alter, wann fängt es eigentlich an?

Früh im ersten Lebensjahr. Etwas in die Hand zu nehmen, in den Mund zu stecken oder runterzuwerfen, um zu hören, was es für ein Geräusch macht: Das ist spielerische Welterkundung. Dann setzt eine Entwicklung ein, die in allen Kulturen und Epochen zu beobachten ist. Das Repertoire wird immer breiter: Formen wie das Fantasiespiel, das Rollenspiel, das Konstruktionsspiel und das Regelspiel kommen hinzu und werden kombiniert.

-Wird mit dem Erwachsenwerden das Spielen wieder unwichtiger?

Schon ab der Schulzeit räumen wir dem Spielen einen sehr geringen Raum ein. Dabei gibt es genügend Ansätze, sogar im Berufsleben über spielerische Elemente Probleme zu lösen. Bereits angesprochen hatten wir ja auch den emotionalen Ausgleich. Für Erwachsene ist es sicher lohnenswert, viel zu spielen.

-Spielen Mädchen und Buben von sich aus unterschiedlich?

Das wird in der Forschung intensiv diskutiert. Einige Geschlechterunterschiede im Spielverhalten sind sicherlich konstruiert. Die Farbe Rosa zum Beispiel, Anfang des 20. Jahrhunderts war das noch eine Bubenfarbe. Es könnten aber auch biologische Unterschiede eine Rolle dabei spielen, wie Mädchen spielen und wie Buben. Interessanterweise hat sich aus der Veränderung der weiblichen Geschlechterrolle eher ein Problem für die Buben ergeben.

-Wie das?

Die werden von ihrem Umfeld eher schräg angeschaut, wenn sie mal ein Mädchenspielzeug in die Hand nehmen, als umgekehrt. Da könnte die Gesellschaft noch lernen – wenn Mädchen mit dem Fischertechnik-Baukasten oder Buben mit einer Puppe spielen. Ein vielseitiges Spielverhalten ist immer positiv.

-Eins noch: Verraten Sie uns, was Ihre Kinder zu Weihnachten bekommen?

Meine fünfjährige Tochter und mein zweijähriger Sohn bekommen ein großes Paket Lego-Steine, Gleise für die Holzeisenbahn und ein Feuerwehrauto.

Interview: Josef Ametsbichler

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