Unglaublicher Ticketstreit

Fahrkarten-Irrtum teuer bezahlt

von Redaktion

von volker ufertinger

Bad Tölz-Wolfratshausen – Michael Harreiner aus Ebenhausen (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) war neulich an einem Freitag etwas spät dran. Er sollte für seinen Sohn den Wagen aus der Werkstatt in Wolfratshauen abholen, hatte aber getrödelt. Also eilte der selbstständige Unternehmer, der so gut wie nie S-Bahn fährt, in Richtung Bahnhof. Seine Frau rief ihm noch nach, dass für die zwei Stationen ein Kurzstrecken-Ticket genügt. Doch als er vor dem Automaten stand, wollte Harreiner lieber vorsichtig sein und keinen Ärger riskieren. Also entschied er sich für eine Einzelfahrt für eine Zone – kostet 2,80 Euro. Seine Frau hatte Recht, ein Kurzstreckenticket à 1,40 Euro hätte gereicht. „Ich wollte halt auf Nummer sicher gehen“, erzählt Harreiner. Das war ihm den doppelten Fahrpreis wert.

Er sollte sich täuschen. In Icking, eine Station weiter, stieg nämlich ein Kontrolleur mit einigen Auszubildenden zu. Harreiner hatte ein reines Gewissen, als er sein Ticket vorzeigte. Doch dann sagte der Kontrolleur, an die Azubis gewandt: „Hier haben wir einen ganz besonderen Fall.“ Und drückte Harreiner eine Fahrpreisnacherhebung über 60 Euro in die Hand. Der 48-Jährige fiel aus allen Wolken. Das Problem: Zwischen Ebenhausen-Schäftlarn und Wolfratshausen beginnt eine neue Zone – für die Harreiners Ticket nicht mehr gültig war.

Er wollte die Sache auf keinen Fall so stehen lassen und schickte einen Einspruch an die Beschwerdestelle der Bahn in Baden-Baden. Per E-Mail erklärte er, dass er nicht absichtlich schwarzfahren wollte, sonst hätte er schließlich keine Fahrkarte gekauft. „Ich bitte Sie, aus Kulanzgründen auf die Erhebung des erhöhten Fahrpreises von 60 Euro zu verzichten“, schrieb er.

Die Antwort der Bahn war deutlich: „Es ist nicht relevant, ob der Preis der ungültigen Fahrkarte den Preis der gültigen Fahrkarte übersteigt“, teilte man ihm mit. Entscheidend sei einzig und allein, dass er zum Zeitpunkt der Kontrolle keinen gültigen Fahrausweis vorzeigen konnte. Dies führe „zwangsläufig“ zur Berechnung des erhöhten Fahrpreises. Versehen mit freundlichen Grüßen der Sachbearbeiterin und dem Satz: „Sehr geehrter Herr Harreiner, wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt!“ „Das hat doch mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun“, findet Harreiner.

Genauso sieht es auch der Fahrgastverband Pro Bahn. „Eher wäre ein dickes Dankeschön angebracht gewesen, dass Herr Harreiner das Unternehmen so großzügig bezuschusst“, erklärt Sprecher Andreas Frank auf Nachfrage. Rein rechtlich mag es in Ordnung sein, das falsche Ticket zu beanstanden. Und es mag auch sein, dass der Kontrolleur keinen Ermessensspielraum hat. Aber spätestens eine Ebene höher, in der Beschwerdstelle, hätte man erkennen müssen, dass ganz offensichtlich keine Betrugsabsicht vorliegt, sagt Frank. Der Fahrgastverband hat ohnehin die Erfahrung gemacht, dass auf dieser Ebene häufig versagt wird. „Die Beschwerdestelle ist ein Massenbetrieb, da fehlt es ganz oft an Augenmaß“, sagt Frank. Der Fall sei leider keine Ausnahme.

Bernd Honerkamp, Sprecher der Bahn, verteidigt sein Unternehmen. Der Kontrolleur habe absolut richtig gehandelt: „Kontrolleure haben keinen Ermessensspielraum, sie haben nur den Fall als solchen aufzunehmen.“ Auch die Mitarbeiter der Beschwerdestelle hätten es nicht immer leicht. Es gebe nämlich nicht nur die offensichtlichen Schwarzfahrer, sondern auch viele, die sich mit Tricks im Graubereich einen Gratis-Transport erschleichen wollen – und die Unterscheidung sei nicht immer einfach. Im konkreten Fall von Michael Harreiner merkt er an, dass es eigentlich von der Startseite des Automaten-Displays aus nicht schwierig gewesen wäre, die richtige Fahrkarte zu lösen.

Dennoch: „Wir werden den Fall niederschlagen, von einer Betrugsabsicht kann man wohl kaum sprechen.“ Das Bußgeld bleibt Michael Harreiner also erspart. Bleiben nur die 1,40 Euro, die er dem Konzern geschenkt hat. Aber die, sagt Michael Harreiner, kann er verschmerzen.

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