Auf Besuch in Bayerns Wohnzimmern

Zwei Brüder mit Nikolaus-Mission

von Redaktion

Von Katrin Woitsch

Reichersbeuern – Die Geschichte, wie Nepomuk und Leander Poschenrieder zu Nikolaus und Krampus wurden, beginnt mit einem roten Audi. Die beiden Brüder aus Reichersbeuern (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) waren in jenem Sommer Anfang der 1990er-Jahre fürs Autoputzen zuständig – und haben sich dafür ein besonders ausgefuchstes System überlegt. „Wir haben das ganze Auto erst mal mit Lehm eingeschmiert“, erzählt Leander Poschenrieder. „Damit wir beim Waschen genau sehen, wo wir schon geputzt haben.“ Heute ist Poschenrieder 34 und Kfz-Mechaniker. Genau wie sein Bruder kann er inzwischen gut nachvollziehen, warum seine Eltern alles andere als begeistert reagierten, als sie damals das lehmverschmierte und verkratzte Auto sahen. Die Folgen der Waschaktion reichten bis in den Dezember. Denn der Nikolaus entnahm die Geschichte seinem goldenen Buch. „Damals war minutenlang Stille und der Bart hat verdächtig gewackelt“, erinnert sich Leander Poschenrieder. Während sich die Buben damals vor Angst hinter dem Sofa versteckten, hatte der Nikolaus große Probleme, das Lachen zu unterdrücken.

Diese Geschichte haben die Brüder vor etwa zehn Jahren von ihren Eltern erzählt bekommen. Damals tauschten sie einen Blick – dann war die Sache klar. „Diesen Spaß wollten wir auch haben“, erzählt Leander Poschenrieder. Ein paar Monate später zogen sie zum ersten Mal als Nikolaus und Krampus durch Bayerns Wohnzimmer. Und so lange diese Beschäftigung so unterhaltsam bleibt wie bislang, wollen sie auch nicht damit aufhören.

Die Rollen sind klar verteilt und werden nie getauscht. „Das passt so ganz gut“, sagt Poschenrieder. Sein Bruder ist über 1,90 Meter – so groß macht der Nikolaus schon was her. „Und mir liegt der Krampus-Job eher.“ Obwohl es nicht unbedingt der leichtere ist. „Man muss sehr sensibel sein“, erzählt Leander Poschenrieder. Manchmal haben die Kinder so Angst vor ihm, dass er im Hausflur wartet. Bei vorlauten Teenagern hingegen setzt er auch schon mal die Rute ein. Und hin und wieder kommt es vor, dass er sich einen besonderen Frechdachs schnappt, auf die Schulter wirft und in seinen Sack steckt.

Allerdings stellen die beiden Brüder jedes Jahr aufs Neue fest: Der Respekt vor Nikolaus und Krampus ist und bleibt groß. „Auf dem Land noch etwas mehr als in der Stadt“, berichtet Poschenrieder. „In den Dörfern hält man einfach besser dicht“, glaubt er. Deshalb funktioniert der Mythos dort so gut. Und die beiden Brüder wollen natürlich ihren Beitrag leisten, damit das auch so bleibt. „Wir suchen uns immer ein Versteck, um uns umzuziehen“, berichtet der 34-Jährige. Und natürlich machen sie das vor und nach jedem Termin auf ihrer Route. Vor einigen Jahren haben sie an einer Tankstelle mal einen Nikolaus samt Krampus im Opel Astra vorfahren sehen. So was würde es bei ihnen trotz allen Termindrucks nicht geben. „Das Bild vom Nikolaus darf nicht zerstört werden.“

Heute beginnen für die beiden Brüder wieder die schönsten Tage im Jahr. Vom 5. bis 7. Dezember haben sie wie immer frei und fahren die Routen ab, die sie schon vor Wochen festgelegt haben. Denn gebucht werden sie längst nicht mehr nur in ihrem eigenen Landkreis. „Inzwischen haben wir schon einige Stammkunden“, erzählt Leander Poschenrieder. Auch Weihnachtsfeiern stehen immer häufiger in ihrem Terminkalender. Und zu Hause steht eine große Kiste mit selbst gemalten Bildern der Kinder. Sie wird wohl bald durch eine zweite Kiste ergänzt werden. Denn obwohl die Nikolaus-Tage anstrengend sind – ans Aufhören denken die Brüder noch nicht. „Jedes Jahr im Sommer, wenn wir irgendwo beim Grillen sitzen, sprechen wir mal kurz drüber, ob wir im Dezember noch mal losziehen“, erzählt Leander Poschenrieder. Meistens wird es ein kurzes Gespräch. Ihr Doppelleben macht nun mal zu viel Spaß. „Das sind einfach unsere Tage im Jahr.“ Nicht nur Nikolaus-Tage – sondern auch Tage, die sie als Brüder immer enger zusammenschweißen.

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