München – Als Robert Gaipl davon hört, was die Bayerische Jungbauernschaft fordert, muss er lächeln: mehr Zeit für das Ehrenamt. Dafür sollen am 24. Januar Ehrenamtliche streiken und ihre Arbeit niederlegen. „Um zu beweisen, wie wichtig das Ehrenamt für die Gesellschaft ist“, wie Marcus Röhm, der Sprecher des Verbandes, sagt. Gaipl ist Kommandant der Feuerwehr in Poing (Landkreis Ebersberg). Er sagt: „Gerade den Führungskräften bei uns im Feuerwehrverein würde mehr Zeit guttun.“
Zum Lächeln ist dem 49-Jährigen nicht immer zumute. Vor allem nicht, wenn er an die Einsätze seines Teams denkt. Wie damals, als ein Autofahrer einen Feuerwehrmann umgefahren hat. Gaipl und seine Kameraden haben eine Ölspur auf einer Hauptstraße entfernt und den Verkehr geregelt. Einem Autofahrer riss der Geduldsfaden, weil er warten musste. Er brauste durch die Absperrung und verletzte einen Menschen. Er hätte nur ein paar Minuten warten müssen, sagt Gaipl. „Was sind ein paar Minuten?“ Angriffe und Beleidigungen gegen seine Kameraden sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. „Das ist ganz furchtbar.“ Trotzdem: „Wir wollen nur helfen. Dafür nehmen wir uns die Zeit. Ehrenamtlich.“
Die Jungbauernschaft will, dass diese Leistung mehr gewürdigt wird – mit staatlich verordneter Zeit, wenn man so will. In der Schule, in der Ausbildung und im Beruf sollen mehr Freiräume geschaffen werden. Konkret lautet die Forderung des Verbandes mit rund 20 000 Mitgliedern: ein freier Nachmittag in der Woche für das Ehrenamt. Marcus Röhm sagt: „Es sind ein Stück weit symbolische Forderungen. Ohne das Ehrenamt gibt es keine demokratische Zukunft.“ Einige Ehrenamtliche – auch in der Jungbauernschaft –, die den größten Teil der Arbeit stemmen, sind laut Röhm einem enormen Druck ausgesetzt. Robert Gaipl kennt diesen Druck. Etwa 90 Feuerwehrleute leisten ihren Dienst in Poing. 70 000 Übungs- und Einsatzstunden kommen im Jahr zusammen. Mehr Freiräume für seine Truppe? Kommandant Gaipl ist angetan: „Grundsätzlich ist das eine gute Idee“. Es hänge natürlich davon ab, was in der Zeit getan wird. Nicht alle könnten auf Abruf trainieren.
Das Sozialministerium hält von dem Vorschlag der Jungbauernschaft nicht viel: „Bürgerschaftliches Engagement ist freiwillig und unentgeltlich“, sagt eine Sprecherin. Den Unterricht oder die Arbeit für das Ehrenamt ausfallen zu lassen, könne staatlich nicht verordnet werden. Eine derartige Reglementierung, wie es die Jungbauernschaft fordert, sei nicht möglich. „Wir wollen das Ehrenamt fördern und nicht verstaatlichen“, so die Sprecherin. Jeder solle selbst entscheiden, in welchem Umfang er sich engagiere. Auch ohne staatlich geregelte Zeiten ist das Ehrenamt den Zahlen nach in Bayern im Aufwind. Demnach engagieren sich 47 Prozent der Bayern über 14 Jahre in einem Ehrenamt, teilt das Sozialministerium mit. Das sind rund 5,2 Millionen Menschen. 2009 waren es 33 Prozent, also 3,8 Millionen Bürger.
Robert Gaipl ist seit zehn Jahren Feuerwehrkommandant aus Leidenschaft. Für seine Leistung wurde er am Wochenende mit einem Bürgerpreis geehrt. „So etwas freut mich natürlich, wenn etwas von der Gesellschaft zurückkommt.“ So wie im Januar. Da war Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Poing zu Gast. Er nahm an einer Feuerwehrübung teil. „Er hat sich Zeit genommen“, sagt Gaipl.