München/Nürnberg – Zu seinem 50. Geburtstag dachte sich Markus Söder, wie eigentlich jedes Jahr, einen geeigneten Spruch für seine Interviews aus. Es sollte freundlich klingen, ein bisschen altersweise, und mal wieder seinen Machtanspruch untermauern. „Mein Vater hat immer gesagt, mit 50 beginnt die Zeit der Ernte.“
Elf Monate ist das her, der Spruch wurde meist eher belächelt. Nun allerdings, noch vor dem 51. Geburtstag am 5. Januar, geht die Saat auf. Söder wird in den nächsten Wochen zum Ministerpräsidenten gewählt. Für ihn ist es mehr als ein Karrieresprung – es ist sein Lebensziel. Die letzten 30, 40, Jahre hat er gesät.
Eine schillernde Persönlichkeit ist dieser Franke, dem es schon als Schüler gefiel, sich gegen den Mainstream zu stemmen. Der gebürtige Nürnberger war der Einzige in der Klasse, der in seinem Zimmer an der Dachschräge ein Franz-Josef-Strauß-Plakat hängen hatte. Gern erzählt er, welche Freude es ihm gemacht hat, sich mit linken Lehrern zu streiten. „Man musste schon schlagfertig sein, wenn man sich gegen deren Eloquenz behaupten wollte“, sagte er in einem Interview mit der „Bunten“. Und wie das seine Lust an politischen Diskussionen gesteigert hat – was politische Freunde wie Gegner auch heute bestätigen werden.
Der Sohn eines Maurermeisters, der mit einer Schwester in einem evangelisch geprägten Haus aufwuchs, führte lieber politische Debatten, als Latein zu pauken. Als Sechzehnjähriger trat er 1983 in die CSU ein und machte schnell Karriere. Von 1995 bis 2003 war er Landesvorsitzender der Jungen Union, 1994 zog er in den Landtag ein. Edmund Stoiber, den Söder als seinen Förderer und wichtigsten Ratgeber bezeichnet, machte ihn 2003 zum Generalsekretär.
Nach dessen Sturz 2007 wurde der studierte Jurist und gelernte Fernsehjournalist Söder (er war Redakteur beim Bayerischen Rundfunk) im Kabinett Beckstein Bundes- und Europaminister, nach der Landtagswahl 2008 Minister für Umwelt und Gesundheit. Nur Jahre später stieg er auf zum Finanzminister, sein Haus wurde 2013 um Landesentwicklung und Heimat erweitert. Söder nennt sich seither gerne volkstümlich „Heimatminister“.
Wenn die Wahl Söders wie geplant verläuft, dann gibt es in Bayern nach den First Ladys Stoiber und Seehofer wieder eine „Karin“ an der Seite des Ministerpräsidenten. Karin Baumüller-Söder (45), mit der der zukünftige Ministerpräsident seit 1999 verheiratet ist und drei Kinder hat (ein Mädchen und zwei Buben), war bisher in der Öffentlichkeit nicht sehr präsent. Sie begleitet ihren Mann zum politischen Sommerempfang auf Schloss Schleißheim ebenso wie zum Maibockanstich im Hofbräuhaus (wo die Fränkin ohne Bedenken auch ein Dirndl trägt), politisch aber hält sie sich zurück. Was nicht heißt, dass sie keine eigene Meinung hat. Beobachter bezeichnen sie als eine kluge, sensible und liebenswerte Frau, die mit ihrem Mann auf Augenhöhe diskutiert.
Karin Baumüller-Söder, Tochter eines sehr vermögenden Unternehmers, hat Betriebswirtschaft (unter anderem in den USA) studiert und arbeitet in der Firma ihres im vergangenen Oktober verstorbenen Vaters, der Baumüller Gruppe in Nürnberg. Vormittags, wenn die Kinder in der Schule sind, ist sie in der Geschäftsführung des Unternehmens, ein führender Hersteller von elektrischen Antriebs- und Automatisierungssystemen, insbesondere für Personalfragen zuständig. Offen gehen beide mit der Tatsache um, dass Markus Söder eine Tochter aus einer vorehelichen Beziehung hat. Tochter Gloria, geboren 1998, ist inzwischen erwachsen. 2010 sorgte diese Nachricht für Schlagzeilen, die aber offensichtlich die Ehe nicht in den Grundfesten erschüttert hat.
Was beide verbindet, ist offenkundig ihr Spaß an der Maskerade. Mit welchem Faschingskostüm die Söders bei der Prunksitzung in Veitshöchheim auftreten, wird bis wenige Minuten vorher strikt geheim gehalten. Als Punk, als Marilyn Monroe, als grünes Monster Shrek oder als Homer Simpson: Markus Söder und seine Frau lassen sich alljährlich bis zur Unkenntlichkeit herrichten. Er wird sich weiterhin verkleiden, auch dann als Ministerpräsident – nur vielleicht nicht so wild. Mit 50, so hatte er vor einem Jahr nämlich auch gesagt, „findet man leichter eine Balance zwischen Leidenschaft und Erfahrung“. Die ganz ungestümen Jahre dürften damit Vergangenheit werden. cm